Der höchste Wallfahrtsort der Alpen

Zum Wallfahrtsort wurde der Rocciamelone bereits, als Bonifacio Rotario aus Asti am 1. September 1358 den 3.538 Meter hohen Berg, der ganz markant über dem piemontesischen Susatal aufragt, bestieg und dort in einer Felsspalte ein Madonnen-Triptychon aufstellte. Als Dank, der Sklaverei entkommen zu sein, so der kleinste gemeinsame Nenner der vielen Legenden, die sich um diese erste dokumentierte Besteigung eines richtigen Alpengipfels ranken.

Rocciamelone

Obwohl das Triptychon bereits seit 1673 nicht mehr auf dem Gipfel steht, riss der Strom der Pilger, die es Rotario nachmachen wollten, nie mehr ab. Ein Unterfangen, dass anfangs nicht ungefährlich war, wie de Saussure in seinen ‚Voyages dans les Alpes‘ zu berichten wusste. Aber bereits 1847 war im ‚Handbook for Travellers in Northern Italy‘ (Verlag John Murray, London), vermerkt, dass der Aufstieg ohne größere Schwierigkeiten zu bewältigen sei.

Und als dann auch noch 1896 130.000 Kinder aus ganz Italien einem Aufruf der Zeitschrift ‚Innocenza‘ folgten, ihr Gespartes zusammenlegten und dem Gipfel eine drei Meter hohe bronzene Madonna spendiert haben, wurde der Gipfel zum Publikumsmagneten erster Güte.
Längst ist der Pfad hinauf verbreitert und auch an einigen Stellen seilgesichert, sodass es lediglich Trittsicherheit und Schwindelfreiheit, aber keinerlei Kletterkünsten bedarf, um auf über dreieinhalbtausend Meter Höhe ein wirklich beeindruckendes Panorama erleben zu können.

Gletscher am Rocciamelone
Gletscher am Rocciamelone
Als Papst Johannes Paul II. 1991 Susa besuchte, hat er sich mit dem Helikopter zur Madonna fliegen lassen. Unsereins muss zu Fuss hinauf , wahlweise vom Susatal aus oder – viel schöner! – als sprichwörtlicher Höhepunkt einer siebentägigen Wanderung entlang der Alta Via Val di Susa, zu der unser Wanderführer soeben erschienen ist.

Sabine Bade & Wolfram Mikuteit

4 Kommentare

Eingeordnet unter Grajische Alpen, Susatal

4 Antworten zu “Der höchste Wallfahrtsort der Alpen

  1. MiWi

    Schade, liebe Sabine, leider ist nun die Vorstellung, der Papst sei leibhaftig auf den Rocca gewallfahrt, zerstoben. Aber ein bisschen Mythos ist – Gott sei Dank – übrig geblieben: Er ist drüber geflogen! In katholischer Weise (?) können nun alle ihren Frieden finden. Welch glückliches Ergebnis!
    Aber das „eigentliche“ Resultat ist, dass ich nach einigen Minuten auf deinen Seiten denke, unsere Sommerurlaubsplanung ist falsch, wir müssen wieder ins Piemont!

  2. Neuzeitliche Legendenbildung

    Nach dem Kommentar von MiWi, dass wir mit der Geschichte vom Papst auf dem Rocciamelone wohl neuzeitlicher Legendenbildung aufgesessen sind – wollten wir es nun ganz genau wissen, der Geschichte auf den Grund gehen.

    Die Kurzfassung des Ergebnisses lautet:
    Papst Johannes Paul II. hat bei seinem Besuch in Susa 1991 den Rocciamelone lediglich überflogen und so dem ‚heiligen Berg’ und der Madonna seine Referenz erwiesen!

    Aber die Recherchen haben uns Spass gemacht. Denn statt im Tal Einheimische zu befragen, haben wir im Archiv von ‚La Stampa’ in Turin gewühlt und einem museumsreifen Mikrofilmlesegerät alles entlockt, was die überregionale Presse damals über den Papstbesuch berichtete. Nun wissen wir, was ‚Papa Wojtyla’ normalerweise zu Mittag aß, dass der Verlauf seiner Wanderungen während des Urlaubes im Aostatal vorab aus Sicherheitsgründen nie bekannt gegeben wurde, und dass er seine Ferien kurz unterbrach, um am 14. Juli im Helikopter nach Susa zu fliegen und dort eine Seligsprechung vorzunehmen.

    “L’ho osservato stamattina, la santa montagna, sorvolandova con l’elicottero e ho visto come tutto lassù testimoni la presenza di Dio.“

    Nah dran an der Madonna war der Papst also – weswegen wir nun auch verstehen, weswegen von ‚Besuch’ geschrieben/ gesprochen wird!

    Sabine

  3. Hallo MiWi,

    Der Gletscherschwund (Foto: 2007) ist in der Tat evident und die Bildung des Gletschersees auch nicht unbedenklich – weshalb der Gletscher des Rocciamelone bereits im Jahr 2000 zur Überwachung in das europaweite ‚Glaciorisk‘-Projekt aufgenommen wurde!

    Zum Papst:
    Als wir während unserer Recherchen auf Cà d’Asti waren, haben wir die Hüttenwirtin nicht zum Papstbesuch von 1991 befragt. Da war gerade ein anderes Thema dominant – Vandalen hatten im Juli 2006 die Madonna beschädigt.

    Falls wir bzgl. des Papstbesuches auf eine ‚Neuzeit-Legende‘ hereingefallen sein sollten – ist sie auf jeden Fall weit verbreitet: denn nicht nur im o.a. Artikel, sondern auch in Verlautbarungen der Tourismuszentrale Turin kann man lesen „Meta del pellegrinaggio estivo del 5 agosto, la vetta del Rocciamelone è stata visitata (in elicottero) anche da Giovanni Paolo II“.

    Wir werden der Sache aber nachgehen. Die Pressestelle des Vatikans müßte darüber ja Auskunft erteilen können.

    Gruß

    Sabine

  4. MiWi

    Hallo Sabine + Wolfram,
    ist ja wirklich sehr ansprechend und informativ virtuell ‚Unterwegs in den Westalpen‘ zu sein. Macht unbedingt Appetit auf die nächste Unternehmung!
    Nach 1993 war ich jetzt wieder 2007 auf dem Rocca. Das Gletscherfoto, – liegt wohl noch nicht so lange zurück und so gesehen fehlt hier die Jahrgangsangabe -, dokumentiert doch sehr eindrücklich den Gletscherschwund.
    Bei unserer Pause auf Cà d Asti haben wir nach dem Papst-Besuch gefragt. Die Hüttenwirtin, die uns voller Zuversicht für die Übernachtung zu werben suchte, meinte es sei schlechtes Flug-Wetter gewesen und der Papst sei ja nur bis in die Kirche in Susa gekommen. Von wegen der Papst auf dem Rocca … … . Wird wohl zu den gern gepflegten Neuzeit-Legenden gehören, denn ein beweissicherndes Foto habe bislang nicht gesehen, oder?

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