‚Route du Sel‘ bald UNESCO-Weltkulturerbe?

Ginge es nach dem Prinzip ‚first come – first serve‘, wäre zunächst die gemeinsame Bewerbung von Parc National du Mercantour und Parco Naturale delle Alpi Marittime an der Reihe, von den beiden nationalen Komitees der UNESCO für die Aufnahme in das Welterbe vorgeschlagen zu werden: Schließlich stehen sie bereits seit dem Jahr 2002 auf der ‚Liste indicatif‘, der Vorschlagsliste. Dass dennoch manchmal eher spontane ‚Quereinsteiger‘ das Rennen machen, zeigte erst kürzlich der Fall der Hauptwerke Vaubans.

So forciert gerade die ‚Fédération des Associations du Comté de Nice‘, zu der u.a. so angesehene Gesellschaften wie die ‚Acadèmia Nissarda‘ zählen, ihre Bemühungen, die über den Col de Tende führende ehemalige ‚Salzstraße‘  zwischen Turin und Nizza in das UNESCO-Weltkulturerbe aufnehmen zu lassen. Innerhalb von zwei Jahren soll unter der Leitung von Jean-Loup Fontana ein Dossier zur Vorlage bei der UNESCO ausgearbeitet werden – angestrebt wird die Aufnahme in das Weltkulturerbe im Jahr 2010, pünktlich zum 400. Geburtstag der Straße, die Herzog Charles-Emmanuel I. von Savoyen 1610 in Auftrag gab.

Dass die Straße, die von Turin, seit 1568 neue Hauptstadt des Herzogtums, über den Col de Tende nach Nizza führt, spätestens seit Ende des 16. Jahrhunderts eine der bedeutendsten Handelsrouten im Alpenraum war, über die das damals für die Konservierung von Fleisch und Fisch benötigte Salz aus dem Rhonedelta in die oberitalienischen Metropolen und in die Schweiz befördert wurde, ist unstrittig. Mit einer Höhe von nur 1871 Metern war der Col de Tende im Gegensatz zum Col de Fenestre (2.471 m) – wenn auch nur unter widrigen Umständen – im Winter passierbar. Und nachdem die etwas ‚aufmüpfige‘ Grafschaft Tende 1581 an das Haus Savoyen gefallen war, wurde der Weg über diesen Pass nicht nur die kürzeste sondern auch die einfachste Verbindung zwischen Provence und Poebene. Über die wirtschaftliche Bedeutung dieser Route gibt eine Verkehrszählung aus dem Jahr 1776 Aufschluss: täglich passierten 150 Maultiere allein den Ort Tende im oberen Royatal, wodurch dort eine Einbahnstraßenregelung nötig wurde, um die Straßen des kleinen Ortes nicht vollends zu verstopfen!

Aber noch nie wurde bisher eine Straße – so bedeutsam sie auch gewesen sein mag – in das UNESCO-Kulturerbe aufgenommen, was natürlich auch den Initiatoren des Projektes klar ist. Da es ihnen aber in erster Linie um die Unterschutzstellung zu gehen scheint („Qui dit classement dit protection.“), würde zum Beispiel die Anerkennung als ‚Europäische Kulturstraße‘ längst nicht den gewünschten Effekt erzeugen.

Die Forts am Col de Tende

Wir können schwer einschätzen, wie erfolgversprechend das Vorhaben der ‚Fédération des Associations du Comté de Nice‘ ist und sind eher pessimistisch – jedenfalls was die gesamte, aktuell immerhin 230 Kilometer lange Straße anbelangt. Aber vielleicht sensibilisiert allein schon der Plan die Entscheidungsträger und zeitigt praktische Nebeneffekte: So würden wir uns zum Beispiel wünschen, dass die alte Passstraße und das in verschiedenen Jahrhunderten angelegte Militärstraßensystem in der Passregion – zusammen mit den sechs ehemaligen Grenzforts (in die Karte klichen!) von ganz besonderem kulturellem Wert – endlich für den öffentlichen Verkehr gesperrt würden!

Sabine Bade & Wolfram Mikuteit

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Eingeordnet unter bergauf bergab, Ligurische Alpen, Royatal, Seealpen

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