Mercantour und Naturpark Seealpen bereiten sich auf UNESCO Welterbekandidatur vor

Die Felsenzeichnungen im Valcamonica wurden bereits 1979 zum UNESCO-Weltkulturerbe erklärt. So auch die Höhlenmalerien in Lascaux. Dass die prähistorischen Felsritzungen in der Umgebung des Mont Bégo, die oft unter dem Namen ‚Vallée des Merveilles‘ zusammengefasst werden, bisher noch nicht offiziell zum Kulturerbe der Menschheit gehören, ist somit eher erstaunlich – schließlich handelt es sich um die zweitgrößte Fundstelle von Petroglyphen im gesamten Alpenraum.

Innerhalb der nächsten drei Jahre zur Welterbestätte
Mit der Gründung des Parc National du Mercantour, in dessen besonders geschützter Kernzone sich die meisten der Gravuren befinden, hatte sich ab dem Jahr 1979 aber zumindest die unmittelbare Gefährdung der Fundstätten verringert. Denn zwischen der allmählichen Demystifizierung der Region und der Gründung der Schutzzone gestaltete sich der Umgang mit den Gravuren recht profan – sodass sich heute in unmittelbarer Nähe bronzezeitlicher Ritzungen auch recht neuzeitliche ‚Gravuren‘ finden lassen.

Die Gründung des Nationalparks und die enge Zusammenarbeit mit dem im Norden direkt angrenzenden italienischen Parco Naturale delle Alpi Marittime – beide gehen in ihren Ursprüngen auf das ehemalige königliche Jagdrevier Valdieri-Entracque zurück – ließ dann auch die Idee entstehen, nicht nur für das ‚Vallée des Merveilles‘, sondern für das gesamte Gebiet des Doppelparks einen Schutz durch das Welterbeprogramm der UNESCO anzustreben. christ
Diese Idee wabert nun seit vielen Jahren über den Seealpen, ohne dass genauere Pläne bekannt gegeben wurden. Zwar stehen Mercantour und Alpi Marittime seit dem Jahr 2002 auf der ‚Tentative List‘ der UNESCO, aber diese Liste ist recht unverbindlich und enthält lediglich
Projekte, für die die einzelnen Bewerberstaaten eventuell (!) einen Antrag auf Aufnahme stellen wollen. Ihre
Photo: P. Kurlapski, Wikipedia

mangelnde Aussagekraft läßt sich gut dadurch veranschaulichen, dass unter den 41 Gebieten, mit denen allein Italien auf dieser Liste vertreten ist, gleich der gesamte Alpenbogen aufgeführt ist („Alps: a) Western Alps, b) Dolomites, c) Eastern Alps (01/06/2006)“).
Nun aber wurden erstmals konkrete Zeitpläne veröffentlicht:
Am 19. September 2008 unterzeichneten die Umweltminister Frankreichs, Italiens und Monacos ein Abkommen, das zum Ziel hat, innerhalb der nächsten drei Jahre die Aufnahme dieser beiden alpinen Schutzgebiete in den Seealpen in das Welterbe der UNESCO zu erreichen.

Honi soit qui mal y pense …
Was Clarence Bicknell, Carlo Conti und Professor Henry de Lumley, der seit über 30 Jahren die Gravuren des ‚Vallée des Merveilles‘ erforscht, nicht schafften – die Region aus ihrem Status des ‚mal connu‘ herauszuführen – scheint nun Christian Estrosi, Präsident des Conseil Général des Départements Alpes-Maritimes, mit seinem ‚Balcons du Mercantour‘-Projekt recht schnell zu gelingen!
Ohne vorherige Ankündigung (und die entsprechenden Genehmigungen) ließ er kurz vor Unterzeichnung des Abkommens die Arbeiten am geplanten Prestige-Wanderweg durch das Mercantour-Massiv beginnen und sorgte natürlich auch dafür, dass das Ereignis in die Nachrichten kam. Dass die breite Spur, die die Raupenbagger durch die Natur zogen, nicht ohne empörten Widerhall („Non au massacre du Mercantour“) blieb, dürfte niemanden wirklich erstaunen. Nach Protestkundgebungen und Einsprüchen diverser Organisationen folgte Estrosis öffentliches ‚Mea Culpa‘ und die Einrichtung von ‚Round-table‘-Gesprächen, deren jeweilige Resultate nun natürlich auch durch die Medien gehen.

Aufmerksamkeit bedeutet viel im Rennen um das prestigeträchtige Welterbe-Label. Und dass diese danach touristische Anziehungspunkte erster Qualität werden, bedingt sich nicht zwingend von selbst. Um sich von der Masse vorhandener Reiseziele abzuheben, bedarf es einer ‚Unique Selling Proposition (USP)‘, wobei Forschungsarbeiten zur Vermarktung von UNESCO-Welterbestätten auch ergaben, dass den höchsten Bekanntheitsgrad der Welterbestätten solche besitzen, die mit Negativschlagzeilen vermehrt in der Presse erwähnt wurden. So dürfte sich Monsieur Estrosi darüber gefreut haben, dass gestern auch bereits im britischen Guardian über den ‚Balcons du Mercantour‘ berichtet wurde.

Honi soit qui mal y pense …

Sabine Bade & Wolfram Mikuteit

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