Wir überfliegen im langsamen Vorbeifahren – die Gasse ist eng und zu beiden Seiten türmt sich der Schnee – die Nummernschilder der geparkten Autos. Porsche aus Berlin? Dicker Benz aus Wiesbaden? Geländewagen aus Zürich? Nein, Glück gehabt, ausschließlich italienische Mittelklassewagen. Es ist Winter in Sambuco.
Die Woche zwischen Weihnachten und Sylvester, um genau zu sein, in der andernorts ohne Reservierung mindestens acht Wochen im Voraus wohl kaum ein Zimmer zu bekommen wäre. Wir sind auf gut Glück hier hochgefahren, wollen uns morgen im nahen Bersezio – das im Sommer wegen eines fehlgeschlagenen Spekulationsprojektes so wirkt, als hätte gerade eine Neutronenbombe eingeschlagen – davon überzeugen, dass dort wirklich Alpin-Ski gefahren werden kann.
Wir haben Glück: Die Osteria della Pace ist nämlich längst zum ‚Albergo Diffuso‘ geworden: Neben dem Haupthaus mit 12 Zimmern („alcune in legno stile chalet“, in denen es weder am TV noch am Fön fehlt) und dem Posto Tappa GTA gibt es längst weitere Gebäude mit Zimmern oder Appartements, in denen die Gäste untergebracht werden können. So auch die „Due Tedesci“, zu denen wir durch Abgabe unserer Pässe beim Einchecken werden.
Für „Due Tedesci“ gibt es in den Sommermonaten deutschsprachige Menuekarten. Ein wundervoller Service für die vielen Gäste aus Deutschland und der Schweiz, der uns hingegen stört: hätten wir ‚Hirsch‘ statt ‚Cervo‘ essen wollen, wären wir nach Bad Tölz gefahren und nicht ins piemontesische Sturatal.
Aber während der Sommermonate kann man in Sambuco sowieso manchmal vergessen, dass man in Italien ist: Der Film von Winfried Lachauer („Gipfel der Genüsse“) über die Osteria della Pace und dessen liebenswerten Patron Bartolomeo Bruna und schon vor Jahren die Aufnahme in den Slowfood-Führer ‚Osterie d’Italia‘ hat die Osteria della Pace im deutschsprachigen Raum sehr bekannt gemacht. Durchaus zu Recht, wie wir an dieser Stelle betonen möchten: Die Orte, an denen wir bisher in der Region des italienisch-französischen Westalpenbogens besser gegessen haben, lassen sich an zwei Händen abzählen.
Als Italien-Liebhaber benötigt man in den Sommermonaten dennoch etwas Humor, um sich das ausgezeichnete Essen in Sambuco unbeschwert munden zu lassen: Wir lauschten – mehr oder minder krampfhaft darum bemüht, unsere Herkunft zu verbergen – in den letzten Jahren nacheinander Porschefahrern aus Deutschland, die sich ausschließlich auf den Spuren des Slowfood-Führers durch das Piemont bewegen, Wandergruppen aus Zürich, die sich gegenseitig aus einer bekannten Schweizer Wanderführer-Reihe eben Angelesenes vorbeteten und Germanen, die froh waren, endlich mal ein anständiges „deutsches“ Frühstück zu bekommen.
Wen das nicht stört, ist in der Osteria allerdings bestens untergebracht. Zumal die Preise stabil bleiben (je nach Saison und Ausstattung der Zimmer zwischen 50 und 60 Euro p.P. mit Halbpension) und die Betreiberfamilie die Bodenhaftung nicht verliert.
Überhaupt ist uns nicht ganz wohl bei o.a. leichter Krittelei:
Wir würden an dieser Stelle zwar gern auf die stets gebetsmühlenartig vorgebrachte Verwendung des Ausdrucks „das schwarze Loch Europas“ (das sich in den Medien mittlerweile für fast alle Täler der piemontesischen Westalpen großer Beliebtheit erfreut) verzichten – nicht aber auf den Hinweis, dass der obere Bereich des Sturatals von starker Abwanderung betroffen ist und alle lokalen Ansätze, es den Menschen als Lebens- und Wirtschaftsraum zu erhalten, wichtig sind. Die Rettung der ‚Razza Sambucana‘, der traditionellen Schafrasse des Sturatals, für die längst auch SLOW FOOD einen Förderkreis (Presidio) eingerichtet hat, war einer dieser Ansätze. Wobei der Genuss von Agnello Sambucano in der ‚Osteria della Pace‘ allerdings rein gar nichts mit dröger Wirtschaftsförderung vergessener Täler gemein hat – sondern einfach nur ungemein lecker ist!
Wer in der von der Familie Bruna im besten traditionellen Sinn geführten Osteria nicht nur gut nächtigen und essen möchte, sondern zudem mehr über die Tradition der Wanderschafhaltung (Transhumanz) erfahren will, findet im benachbarten Pontebernardo, durch das der Rote Weg der Via Alpina (Etappen R136/137) und das Wegstück Chialvetta – Pontebernardo – Rifugio Talarico der Grande Traversata delle Alpi (GTA) verlaufen, das im Jahr 2000 eingerichtete ‚Ecomuseo della pastorizia‘ mit einer interessanten Dauerausstellung.
Und selbstverständlich haben wird den Schäferweg, der Sambuco mit Pontebernardo verbindet, in unseren Piemont-Wanderführer aufgenommen.
Sabine Bade & Wolfram Mikuteit
____________________________________________
Siehe auch:
Montagna in Movimento im Forte Albertino in Vinadio,
Das Memoriale della Deportazione in Borgo San Dalmazzo und
Es muss nicht immer Sambuco sein – Übernachten in Ferrere, Sturatal
Die Korrektur des Kommentars kann ich nur bestätigen. Das ist wirklich nur mit einer Verwechslung zu erklären. Wir haben in der Osteria della Pace kürzlich eine wunderbare Zeit verbracht. (Siehe hier: http://www.mountainzones.com)
Michael
Zum bereits etwas älteren Kommentar von G.Schmid:
Hier muss es sich wirklich um einen bedauerlichen Einzelfall (ggf. auch eine Verwechslung?) gehandelt haben: Wir haben voriges Jahr zweimal und auch vor ein paar Tagen wieder in der Osteria della Pace übernachtet und konnten dabei eines feststellen: Nicht die geringste (!) Spur von „langweiliger Krankenkost“, „lieblosem Service“ oder „Schnellabfertigung“.
Sabine Bade
Schade, schade.
Bleibt zu hoffen, dass Ihre Erfahrung ein bedauerlicher Einzelfall war und die „Berühmtheit“ der Osteria della Pace, ausgelöst durch den oft gesendeten Film, Niemandem zu Kopf gestiegen ist.
Dass es im Valle Stura aber auch durchaus andere attraktive – wenn auch längst nicht so luxeriöse – Übernachtungsmöglichkeiten gibt, haben wir bereits in unserem Artikel über das Rifugio Becchi Rossi „Es muss nicht immer Sambuco sein – Übernachten in Ferrere“ aufgezeigt:
https://westalpen.wordpress.com/2010/08/21/ferrere-sturatal/
Sabine Bade
Bei unserem Aufenthalt in der Osteria della pace wurden wir sehr enttäuscht. Das Essen erinnerte uns eher an langweilige Krankenkost und der Service war ausgesprochen lieblos. Man kam sich wie in einer Großgaststätte vor, wo die „Busse“ möglichst rasch abgefertigt werden müssen.
Hallo Bettina und Andreas,
Für Wanderungen im Valle Stura ist Mitte September eine herrliche Zeit und voll dürfte es auf den Wegen/ in den Weilern nirgends sein. Sowohl Italiener als auch Franzosen legen ihren Sommerurlaub noch immer in die Zeit zwischen Mitte Juli und Mitte August. Bereits ab der letzten Augustwoche herrscht wieder die fantastische Ruhe, die die gesamte Region so reizvoll macht.
Was jedoch Übernachtungen in der Osteria della Pace anbelangt, sieht die Sache anders aus: Nicht zuletzt wegen Winfried Lachauers Film ist das Albergo gerade bei Wanderern aus dem deutschsprachigen Raum sehr beliebt. Wenn Sie dort absteigen möchten, raten wir zu schneller Reservierung!
Sabine Bade
7.8.2010. Wir haben eben über Sambuco in „arte“ einen Film gesehen. Ist es da Mitte September sehr voll? Wir möchten gerne wandern!
In den Dolomiten kennen wir schon sehr viel und suchen ein neues Wandergebiet.
Herzlichst Andreas Löseke