Am 25. April wird in Italien der Tag der Befreiung vom Nazifaschismus gefeiert – ob das den Mitgliedern der Regierung Berlusconi, die gerne mit dem „Mythos der Resistenza“ aufräumen würden, nun gefällt oder nicht.
‚Stolpersteine‘ in den Westalpen
Anlässlich dieses italienischen Nationalfeiertages haben wir vor zwei Jahren auf das italienisch-französisch-schweizerische Gemeinschaftsprojekt Memoria delli Alpi/ La Mémoire des Alpes/ Gedächtnis der Alpen und die Percorsi Duccio Galimberti aufmerksam gemacht. Natürlich auch, weil einer dieser nach Duccio Galimberti (1906 -1944), einem der Gründer der Partito d’Azione und Leitfigur der Widerstandsbewegung ‚Giustizia & Libertà’ im Piemont, benannten Erinnerungspfade fast vollständig der Etappe D52 des blauen Weges der ‚Via Alpina’ von Larche über den Colle del Sautron nach Chiappera entspricht.
Voriges Jahr am 25. April haben wir hier vom ‘Memoriale della Deportazione’ in Borgo San Dalmazzo/ Valle Stura berichtet, dem Mahnmal zum Gedenken an die jüdische Fluchtgruppe, die am 21. November 1943 in Güterwaggons gepfercht und in das Konzentrationslager Auschwitz transportiert wurde, wo 311 von ihnen ermordet wurden. Eine traurige Geschichte, die auch der französische Literaturnobelpreisträger Jean-Marie Gustave Le Clézio in seinem Roman ‚Fliehender Stern‘ beschrieben hat.
Je offensichtlicher die äußerste Rechte in Italien diesen Feiertag zu demontieren (*) versucht – oder ihn auf das Gedenken an die mussolinitreuen „Helden von Salò“ auszuweiten trachtet – desto wichtiger erscheint uns, die breite Verankerung der Widerstandsbewegung in der Bevölkerung während der 20 Monate vom September 1943 bis zur Befreiung aufzuzeigen. Auch weil man gerade in den Westalpen immer wieder über Zeugnisse dieses Kampfes stolpert. Kein Wunder, wenn man zudem bedenkt, dass die Zahl der im Krieg (vor allem in Russland) Gefallenen bis zu 10% der Bevölkerung der cuneesischen Täler ausmachte, damit fast jede Familie betraf, während italienweit 2% der Einwohner im Krieg fielen.
Ada Gobetti in Meana di Susa
Wer über die Alta Via Val di Susa wandert, gelangt an das Rifugio Stellina, das das Andenken an die ‚Divisione Partigiana Stellina‘ der Widerstandsgruppe ‚Giustizia e Libertà‘ wachhalten soll. Geleitet wurde diese Partisaneneinheit vom Commandante ‚Aldo Laghi‘, so der Kampfname des Juristen und Philatelisten Giulio Bolaffi.
Zu dieser Gruppe gehörte auch Ada Prospero Marchesino Gobetti. Und erst durch die Beschäftigung mit ihrer Person wurde uns klar, dass der kleine Ort Meana di Susa, wo wir oft und gerne im Albergo Bellavista absteigen, während der 20 Monate der deutschen Besatzung ein wichtiger Treffpunkt der Widerstandsbewegung war.
Daran, dass der Philosoph Benedetto Croce (1866 – 1952) jahrelang in Meana die Sommermonate verbrachte, erinnert Vieles in Meana. Nach dem bereits lange leerstehendem Haus von Ada Gobetti und der daran angebrachten unscheinbaren Erinnerungstafel muss man dagegen etwas suchen.
1923 trafen sich Ada und Benedetto Croce zum ersten Mal. Nachdem ihr Mann Piero Gobetti 1926 starb – wohl an den Spätfolgen eines Angriffs durch faschistische Schlägertrupps – wurde Croce zum väterlichen Freund und intellektuellen Ratgeber für Ada, die selbst Philosphie studiert hatte und viele englischsprachige Bücher erstmals ins Italienische übersetzte. Croce war es auch, der Ada nach dem Krieg anregte, ihre Erlebnisse im Widerstand zu Papier zu bringen. Für die Erstauflage ihres Buches ‚Diario partigiano‘, das 1956 bei Einaudi erschien, schrieb Italo Calvino das Vorwort. Episoden, die wir hier nur kurz anreissen können, sind darin nachzulesen: dass Ada wie Duccio Galimberto zu den Gründungsmitgliedern der Partito d’Azione gehörte, auch von ihrer längst legendären Winterüberquerung des Colle d’Orso am 30.12.1944, um sich mit Mitgliedern des französischen Widerstands zu treffen und Aktionen, auch mit den Alliierten, zu koordinieren. Und dass sie sich nicht wirklich prädestiniert fühlte für das Amt der Vizebürgermeisterin von Turin, das sie in der unmittelbaren Nachkriegszeit wahrnahm. „Io non ho idee politiche, ho solo certezze morali“ (Ich habe keine politischen Ideen, ich habe nur moralische Gewissheiten).
Wer mehr über Ada Gobetti erfahren möchte, findet alles Wissenswerte in Turin im Centro Studi Piero Gobetti. Oder fragt im Albergo Bellavista einfach Signora Nina nach Ada. Anlässlich des dreißigsten Todestages von Ada Gobetti (1902-1968) gab es dort nämlich 1998 eine kleine Ausstellung.
Vielleicht erzählt Signora Nina bei dieser Gelegenheit auch, wie sie zu ihrem offiziellen Vornamen Olimpia gekommen ist. Wir wollen hier schließlich nicht aus dem Nähkästchen plaudern.
Sabine Bade & Wolfram Mikuteit
(*) Da bleiben schon mal Regierungsmitglieder ostentativ den offiziellen Gedenkveranstaltungen fern, äußern sich öffentlich recht despektierlich zu diesem Anlass etc. etc. Womit ein Klima erzeugt wird, das manchmal recht alberne Auswüchse annimmt: im Mai 2008 ging durch die italienischen Medien, dass an einer Schule die Auseinandersetzung mit dem bekannten, bereits 1906 entstandenen Lied „Bella Ciao“ verboten worden sei.
Liebe Frau Skroblies,
Zur Frage der Bildrechte antworte ich via Mail.
Ansonsten: Ich bin sehr gespannt auf Ihr Projekt, stelle es auch gerne nach Veröffentlichung hier vor.
Herzliche Grüße
Sabine Bade
Darf ich für das Projekt „Gedenkorte Europa“ des Studienkreises Deutscher Widerstand 1933-1945 Frankfurt, – ein Internetführer zu Orten der Gewaltherrschaft, beginnend mit Italien und Frankreich – die in ihrem Artikel gezeigten Fotos verwenden bzw. an wen muss ich mich für die Rechte wenden? Die Internetseite wird vermutlich Ende Juni /Anfang Juli veröffentlicht.
Besten Dank
Hannelore Skroblies