Wer sind diese Waldenser, von denen so oft die Rede ist, wenn es um die piemontesischen Westalpentäler geht?
Wenn alles nach Plan der Initiatoren aus Deutschland, der Schweiz, Italien und Frankreich läuft, die gemeinsam am Aufbau des 1.800 km langen Kulturfern-wanderweg „Hugenotten- und Waldenserpfad“ arbeiten, werden wir wohl bald öfter von ihnen hören. Auch in deutschen Medien, denen ansonsten beim Thema „Piemont“ selten mehr als Trüffel, Juventus Turin oder FIAT einfällt.
„lux lucet in tenebris“ (Das Licht leuchtet in der Finsternis) – Seit ungefähr 1640 wurden diese Worte aus dem Johannesevange-lium zum Sinnbild und zum Wappen der Waldenser.
Diese neue grenzüberschreitende Kulturroute folgt den Pfaden, auf denen französische und italienische Protestanten am Ende des 17. Jahrhunderts aus Glaubensgründen ihr Land verließen. Im Falle der Waldenser ist auch der Rückkehrweg einer kleinen Fluchtgruppe aus dem Schweizer Exil, die als „Glorreiche Rückkehr“ bezeichnet wird, in das Projekt einbezogen.
Die Wurzeln der Waldenser liegen im Hochmittelalter. Als Waldenser (italienisch „Valdesi“) bezeichnete die katholische Kirche die Anhänger einer im 12. Jh. vom reichen Kaufmann Petrus Valdes in Lyon begründeten Laien-Reformbewegung. Richtschnur ihres Glaubens war die Bergpredigt. Den Alleinvertretungsanspruch der Kirche und den Treueschwur auf den Grundherren lehnten sie ab („Man muß Gott mehr gehorchen als den Menschen“) und verschrieben sich der reinen apostolischen Lehre. Sie selbst nannten sich „die Armen Christi“.
Das nicht unumstrittene – weil viel zu martialische – Denkmal für Henri Arnaud in Torre Pellice
Wie andere vorreformatorische Gruppierungen wurden die Waldenser als Ketzer von der Inquisition verfolgt und waren zur Flucht gezwungen. Aus dem Untergrund operierend hatten sie sich in einigen abgelegenen, unwegsamen Tälern der Cottischen Alpen halten können. Als sie sich 1532 der Reformation Calvins anschlossen, gerieten sie hier im strategisch bedeutsamen Grenzgebiet zwischen Frankreich und Savoyen-Piemont zunehmend in den Fokus der Verfolgung. Ein trauriger Höhepunkt wurde 1655 beim sog. „piemontesischen Ostern“ erreicht, als über 6.000 Waldenser ermordet wurden. Meist in Abhängigkeit vom jeweiligen Bündnispartner Savoyens wechselten sich Phasen relativ freier Religionsausübung und schärfster Verfolgungen ab. Ließ man sie (in sehr eng gesteckten Grenzen) ihren Glauben ausüben, weil Savoyen gerade in dieser unwegsamen Region auf ihre Ortskenntnis und Unterstützung angewiesen war, wurde damit aber auch der eherne Grundsatz des „cuius regio, eius religio“ durchbrochen, dieses Prinzip der Kirchenpolitik, wonach die Untertanen stets die Religion des Landesherren anzunehmen hatten.
Frankreich und Savoyen waren aber verbündet, als der Sonnenkönig Ludwig XIV. 1685 das Edikt von Nantes wieder aufhob, mit dem den französischen Protestanten durch dessen Großvater Henri IV. 1598 das Recht auf freie Religionsausübung zugestanden worden war. Die Jagd auf die Waldenser wurde intensiviert, und wer die Blutbäder überlebte, floh in die protestantische Schweiz. Aufnahme fanden Waldenser u. a. auch in Württemberg und Hessen.
Andere bereiteten die heimliche Rückkehr in die Heimat vor, die schließlich als „Glorioso Rimpatrio“ (auch: „Glorioso Rientro“ und „Glorieuse Rentrée“, glorreiche Heimkehr) – von den Regierungen Englands und den Niederlanden aus strategischen Gründen finanziert und logistisch flankiert – im August 1689 erfolgte. Etwa 1.000 Waldenser zogen unter der Führung des Pfarrers Henri Arnaud in einem 14-tägigen Marsch vom Genfer See bis zu den Cottischen Alpen in ihre Heimattäler Val Pellice, Val Germanasca und Val Chisone und hielten anschließend in einem monatelangen Guerillakampf ihre Stellungen. Ihre Rettung gelang schließlich aber nur, weil sich der Herzog von Savoyen 1689 überraschend von Frankreich ab- und England und Österreich zuwandte. Ein Bündnis mit dem anglikanischen England zwang Vittorio Amadeo II. 1694 ein Toleranzedikt zu erlassen, das den Waldensern die Existenz in ihren Tälern garantierte. Bis 1848 dauerte es indes, bis ihnen volle bürgerliche Rechte und die Ausübung ihrer Religion auch außerhalb ihrer Täler garantiert wurde.
Während die Gemeinden der nach Deutschland geflüchteten Waldenser im 19. Jh. in die evangelischen Landeskirchen eingegliedert wurden, bewahrten sich die Waldenser in Italien ihre Eigenständigkeit. Der Sitz der Chiesa Evangelica Valdese ist in Rom – die heimliche Hauptstadt aber Torre Pellice, wo sich entlang der Via Beckwith Kirche, Kulturzentrum, Kollegium, Museum und auch eine Touristen offenstehende Gästeunterkunft, eine sog. „Foresteria“, befinden.
Hätten Protestanten einen Hang zum Pilgern, könnte, was für manche Katholiken der legendäre Jakobsweg ist, für Anhänger der Reformation der Weg sein, den Waldenser im August 1689 auf ihrer sog. Glorreichen Heimkehr nahmen.
Sabine Bade & Wolfram Mikuteit
Hallo Sandra,
Oh ja, in Deutschland werden laufend neue Streckenabschnitte offiziell eingeweiht, Ende Oktober z.B. der Abschnitt Schönau – Sinsheim. Einzelheiten dazu auf der o.a. Homepage.
Und was die italienische Teilstrecke anbelangt, so ist die bereits seit einigen Jahren gut ausgeschildert und mit Hinweistafeln zu den historischen Hintergründen versehen.
Gruß
Sabine
Hallo,
gibt es aktuelle Informationen über den geplanten Waldenser-Pfad?
Freundliche Grüße!