Immer mehr lokale Eisenbahnstrecken in den Alpen (und anderswo) werden stillgelegt, die in die Valli di Lanzo führende Linie Turin – Ceres hingegen mit sehr viel Aufwand von der Betreibergesellschaft Gruppo Turinese Trasporto (GTT) modernisiert.
Die Valli di Lanzo, zusammenfassender Name der drei im Nordwesten von Turin gelegenen Täler Val Grande, Val d’Ala und Val di Viù, entwickelten sich recht früh zu einer angesagten Destination des betuchten piemontesischen Bürgertums: Als die „Sommerfrische“ in den Bergen in Mode kam, ließ sich – wer es sich leisten konnte – in einem dieser Täler ein Sommerhaus bauen, wovon heute noch zum Teil recht gut erhaltene Jugendstilvillen zeugen.
Der 1862 projektierte Eisenbahnbau verstärkte diesen Trend ungemein. Im Jahr 1868 verließ erstmals vom Bahnhof Porta Milano am Corso Giulio Cesare ein Zug Turin in Richtung Lanzotäler. Mit dem ersten Bauabschnitt erreichten die Züge Caselle, ein Jahr später Ciriè. Im Jahr 1876 konnte mit viel Pomp die Fertigstellung der nun 30 Kilometer langen Eisenbahnlinie bis Lanzo Torinese gefeiert werden.
Der Startschuss zum Weiterbau, dem alpinen Teil der Eisenbahnstrecke, fiel spät, nämlich im Jahr 1913. Die Verlängerung der Trasse über Germagnano bis Ceres, genau am Zusammenfluss der Flüsse Stura di Ala und Stura di Valgrande gelegen, wurde 1916 abgeschlossen.
Das beeindruckende 50 Meter hohe Viadukt, das kurz vor dem Bahnhof Ceres in einer Länge von 190 Metern die Stura di Valgrande überspannt, ist damals wie heute eine Art Markenzeichen dieser historischen Bahnlinie.
Wie auch die zwischen 1913 und 1916 im „tipico stile svizzero“ errichteten Bahnhöfe auf dem Streckenabschnitt zwischen Lanzo Torinese und Ceres. Aber wie auch immer man diesen Baustil nennen mag: Die Bahnhöfe sind sehenswert.
Die mit Holzornamenten versehenen Innenbereiche bieten einen Blick auf längst vergangene Eisenbahngeschichte. Die edlen Fahrkartenschalter sind längst nicht mehr besetzt, genausowenig wie die Wartesäle der 1. Klasse zugänglich.
Nachdem die Züge 15 Jahre lang lediglich bis Germagnano fahren konnten – 1993 hatten Überschwemmungen schwere Schäden am Schienennetz verursacht und damit zur Stilllegung der Strecke bis Ceres geführt – ist nach aufwendigen Bauarbeiten im November 2008 die Originalroute wieder eröffnet worden.
So fährt heute wieder – nun ab Bahnhof Turin Dora – jeder zweite Zug weiter bis zur historischen Endstation in Ceres – Fahrplan.
Von dort aus verkehren mehrmals täglich Busse in die Talschlüsse. In jene hochattraktiven Bergregionen, in denen sich die Gründerväter des italienischen Alpenvereins ihre ersten Sporen verdienten.
Um zum Beispiel die Uia di Bessanese (3.604 m) oder die Uia di Mondrone (2.964 m) von der nahen Hochebene Pian della Mussa aus zu bezwingen.
Die Autolinee Vigobus bedient die Strecke nach Pialpetta (Sonntags im Juli/ August weiter bis Forno Alpi Graie) in das Val Grande. Vigo Autoindustriale fährt weiter nach Balme im Val d’Ala. Und die Strecke Lanzo – Usseglio in das Val di Viù bedient die GTT in Zusammenarbeit mit der Comunità Montana Valli di Lanzo (*).
Sabine Bade & Wolfram Mikuteit
(*) Seit Anfang 2011 haben sich 21 lokale Busanbieter unter einem neuen Dach zusammengeschlossen und treten nun als EXTRA.TO vollmundig unter dem Motto „La Rete Unica della Provincia di Torino“ an. Auch auf deren Seiten finden sich aktuell bereits die Fahrpläne aller drei oben beschriebenen Buslinien.