Wir setzen unsere kleine Reihe darüber, wie Anderen unsere „Partisanenpfade“ gefallen, fort:
Hier zunächst mit einem Ausschnitt aus der Rezension, die Daniel Anker gerade in der „Neue Zürcher Zeitung“ veröffentlicht hat, und dem Artikel von Christoph Jetter in „informationen – Wissenschaftliche Zeitschrift des Studienkreises Deutscher Widerstand 1933-1945″.
Sabine Bade & Wolfram Mikuteit
Die Fotos sind nicht Bestandteil der Besprechungen sondern von uns hier ergänzt.
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Neue Zürcher Zeitung – 24. Mai 2013, von Daniel Anker
Wege, Täler, Themen
Was machen wir in diesem Sommer? Wandern natürlich – in Piemont! Warum gerade dort, das Prättigau liegt doch näher? Keine Frage, aber zu Piemont sind zwei ausgezeichnete Wanderführer herausgekommen, die neue Wege, Täler und Themen in dieser grossartigen italienischen Alpenregion erschliessen. […]
Das Autorenehepaar Sabine Bade und Wolfram Mikuteit stellt in «Partisanenpfade im Piemont» Wege, Orte und Menschen des Widerstands gegen die deutsche Besatzung und den italienischen Faschismus vom September 1943 bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges vor. Das Buch führt an Plätze, an denen die Geschichte dieser hoffnungsvollen und brutal unterdrückten Resistenza bis heute wachgehalten wird.
Und auch zu Stellen wie am Passo del Nivolet, wo das Liktorenbündel von Mussolinis Diktatur in Stein gemeisselt überlebt hat: so beklemmend wie die zahlreichen Gedenksteine für die Partisanen in den Tälern im Hinterland von Turin. In der Hauptstadt Piemonts wird die dramatische Zeit ebenfalls erlebbar, wenn man weiss, wo hinzuschauen. Mit dem Werk von Bade/Mikuteit, das mit vielen historischen wie zeitgenössischen Fotos illustriert ist, wird Geschichte buchstäblich auf Schritt und Tritt lebendig. Ein spannendes Buch für Sofawanderer und zugleich ein Wanderführer mit allen nötigen touristischen Infos zu den 23 vorgeschlagenen Touren, inklusive GPS-Tracks.
(S.B. & W.M.: Die gesamte Rezension – bei dem zweiten Buch handelt es sich um das neue, im Zürcher Rotpunktverlag erschienene Buch von Werner Bätzing/Michael Kleider „Gran Paradiso“ – ist hier online verfügbar.)
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informationen – Wissenschaftliche Zeitschrift des Studienkreises Deutscher Widerstand 1933-1945. Nr. 77, Mai 2013 – von Christoph Jetter
Auf Partisanenwegen im Piemont
Schönheit und Attraktivität der Wanderwege in den piemontschen Alpen zu rühmen, ist für alle, die auch nur einmal dorthin gereist, gar dort gewandert sind, keine Neuigkeit. Der hier vorgestellte neue Wanderführer von Sabine Bade und Wolfram Mikuteit wird der Vielfalt und Einzigartigkeit der Gebirgsregion an den Grenzen zwischen Italien, Frankreich und der Schweiz jedoch in doppelter Hinsicht gerecht.
Zunächst bietet er alles, was zu einem handlichen, auf langjähriger Erfahrung aufgebauten Begleiter für Wanderungen auf den Wegen in den nordwestitalienischen Alpen gehört. „Es ist ein Wanderbuch mit 23 GPS-gestützten Touren vom Stadtspaziergang bis zur Hochtour auf über 3000 Meter, das alle nötigen und viele hilfreiche Informationen enthält“, wird in der Einleitung zutreffend angekündigt – also findet man: gute Karten der beschriebenen Touren im nördlichen und nordwestlichen Piemont, genaue Wegbeschreibungen, praktische Hinweise zu Verkehrsmitteln, Übernachtungsmöglichkeiten und Preisen, nicht zuletzt bestechend schöne Aufnahmen aus diesen grandiosen Gebirgslandschaften.
Die Besonderheit dieses „Wanderlesebuchs“ (so der zutreffende Untertitel) besteht allerdings darin, dass Autorin und Autor nicht nur eine kenntnisreiche und gelungene Einführung in die dramatische Geschichte der Resistenza von 1943 bis 1945 geben, sondern diese zum Leitfaden der einzelnen Kapitel und zum Thema des Gesamtinhaltes machen – vom Aufstieg des italienischen Faschismus bis zu den 20 Monaten des bewaffneten Widerstands gegen die deutsche Besatzung.
Ein Geschichts- und Geschichtenbuch also, dessen Einleitungsabschnitte bereits in einen ebenso beklemmenden wie faszinierenden „Spaziergang durch Turin auf den Spuren der Resistenza“ münden (Tour 1, S. 43ff.).
Wer auf den Wegen der Stafetten – jener weiblichen Kuriere und Kundschafter des Widerstandes, ohne deren Beitrag zu würdigen keine ernst zu nehmende Geschichte der Resistenza geschrieben werden kann – zu den Alpenpässen westlich von Turin aufsteigen will, findet im Anschluss an die Beschreibung der Tour zu den Pässen Croce di Ferro und Coupe (Tour 8, S. 119ff.) auf zweieinhalb Seiten eine exemplarische Darstellung der damals in Tälern und Bergen versteckten Kranken- und Verwundetenstationen der Partisanen („Hospitäler der Resistenza“, S. 124ff).
Wer die Symbiose des linksintellektuellen Turin um die „Einaudis“ mit dem aktiven Widerstand verstehen will, erfährt hierzu nicht nur im Abschnitt über „Intellektuelle im Widerstand“ (S. 22ff.), sondern auch im Zusammenhang mit einzelnen Touren bewegende Einzelheiten und Geschichten. So z.B. auch die faszinierende Biografie von Ada Gobetti (Tour 14, S. 161ff.) mit einem Auszug aus ihrem legendären Partisanen-Tagebuch (S. 165ff).
Für Leser und Leserinnen ergibt sich so ein zusammenhängendes, zugleich an die Geschichte der denkwürdigen Bewegung „Giustizia e Libertà“ und der Aktionspartei heranführendes Bild. Solche und weitere über 20 „Themensplitter“ seien beispielhaft für die in das Wanderbuch integrierten Sach- und Personendarstellungen erwähnt.
Es ist diese von Kompetenz und akribischer Recherche der Autorin und des Autors zeugende Mischung aus lokal-regionaler Ereignis- und Tourenbeschreibung und historischpolitischer, auch biografischer Information, die das außergewöhnliche Wander- und Geschichtsbuch auszeichnet. Es setzt – die abgegriffene Redewendung sei erlaubt – insofern Maßstäbe, als es die Geschichte(n) des Widerstands, den die Frauen und Männer der Resistenza unter schweren Opfern vom ersten Tag an dem Terror der nazideutschen Okkupation entgegen gesetzt haben, als untrennbaren geschichtlichen und kulturellen Bestandteil der piemontesischen Landschaft und Lebenswelt würdigt und zugänglich macht.
Die beeindruckenden Natur- und Stadtlandschaften bleiben nicht nur bunte und noch so interessante Urlaubs- und Reisekulisse, sondern werden als Schauplatz der im kollektiven Bewusstsein der Bevölkerung verankerten Widerstandsgeschichte lebendig.
„Was hatten die Nazis auf dieser Wiese zu suchen?“ hatten sich Autorin und Autor gefragt, als sie in den 1990er Jahren bei der Überquerung einer Hochebene vor einem Gedenkkreuz für zwei der „violenza nazista“ zum Opfer gefallene Brüder stehen geblieben waren. Ihr Wanderbuch ist eine in 20 Jahren entstandene „Antwort“ auf diese Frage.
Dass Sabine Bade und Wolfam Mikuteit an Stelle eines Vorworts den 1955 an die junge Generation gerichteten Appell des Hochschullehrers und Resistenzamitglieds Piero Calamandrei in Erinnerung rufen, ist bewegend und aktuell zugleich:
„Wenn Ihr dorthin pilgern wollt, wo unsere Verfassung geschaffen wurde, geht in die Berge, wo die Partisanen fielen, in die Gefängnisse, wo sie eingekerkert waren, in die Lager, in denen sie hingerichtet wurden.“
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Alle bisher zum Buch erschienen Besprechungen finden Sie hier.