215.000 Euro sind kein Pappenstiel!
„Durch das Susatal zu kommen und nicht auf die ‚NO TAV‘-Bewegung aufmerksam zu werden, ist schlicht unmöglich. Knapp und kategorisch bringt die Bevölkerung des Tales damit zum Ausdruck, was sie verhindern will: den Treno ad alta velocità, beziehungsweise die Bauvorhaben, die hier geplant sind, um die Hochgeschwindigkeitstrasse zwischen Turin und Lyon zu realisieren“, schrieben wir bereits vor 6 Jahren.














Damals berichteten wir über die Aktion Io ho comprato un posto in prima fila, mit der am 30. März 2008 in Chiomonte im oberen Susatal 1.250 Menschen zu neuen Grundbesitzern wurden: Sie hatten entlang der geplanten Bahntrasse jeweils einen Quadratmeter Land erworben – Kaufpreis: 15 Euro – und stellten sich damit bei etwaigen Enteignungsverfahren ‚in die erste Reihe‘.
Mit vielen friedlichen Großdemonstrationen, mit der Ausrichtung des “Forum gegen unnütze Großprojekte”, das unter Beteiligung auch vieler S-21-Gegner vom 26. bis 30. August 2011 in Bussoleno stattfand, mit dem Aufbau von Hüttendörfern und Mahnwachen und phantasievollen Protestaktionen wie auch weiteren Landaufkäufen wehrt sich die Bevölkerung des Susatals mit friedlichen Mitteln gegen dieses völlig sinnentleerte Projekt, das ihr Tal über Jahrzehnte hinweg in eine Großbaustelle verwandeln soll.
Ein „Laboratorium der Basisdemokratie“ nannte Marco Revelli von der Università degli Studi del Piemonte Orientale das piemontesische Susatal. Als „Terroristen“ hingegen, die das Tal in ein Bürgerkriegsgebiet verwandeln, werden sie gern von italienischen Presseagenturen bezeichnet, die anhand von Ausschreitungen einiger Weniger den Presseleuten im In- und Ausland den richtigen reißerischen „Aufhänger“ liefern.
Der Versuch, die gesamte NO-TAV-Bewegung zu kriminalisieren, hat sich in vielen Verfahren niedergeschlagen. Ohne den Widerstand jedoch brechen zu können.
Ein neues Instrument, mit dem versucht wird, der Bewegung die Unterstützung zu entziehen, stellen zivile Schadensersatzklagen dar: Der italienisch-französischen Betreibergesellschaft LTF (Lyon Turin Ferroviaire) wurden Schadensersatzansprüche zugesprochen, die sich mit allen durch den Prozess entstandenen Kosten auf 215.043,82 Euro belaufen. Zur Zahlung verurteilt wurden Alberto Perino, einer der Sprecher der NO-TAV-Bewegung, Loredana Bellone, die Bürgermeisterin von San Didero und Giorgio Vair als Verantwortliche für die – übrigens wieder ganz friedlich verlaufene – Besetzung eines Areals am 11. und 12. Januar 2010, auf dem nahe Susa eine Probebohrung vorgenommen werden sollte.
Das von der Aktion aufgenommene Video zeigt, wie Alberto Perino den Betreibervertretern sehr höflich klarmachte, dass hier die Talbevölkerung ihr Recht auf zivilen Ungehorsam wahrnahm:
Spendenaktion und landesweite Solidarisierung
Die zur Aufbringung der Summe ins Leben gerufene Spendenaktion hat bisher 121.625,67 Euro eingebracht (Stand: 5. Februar 2014 abends).
Nur noch 10 Tage verbleiben für die Sammlung der noch fehlenden 100.000 Euro.
Spendenkonto:
DAVY PIETRO CEBRARI MARIA CHIARA
IBAN IT22L0760101000001004906838
BIC/SWIFT: BPPIITRRXXX
Und wenn sich in Italien am 22. Februar 2014 landesweit Menschen zum nationalen Tag des Widerstands gegen Hochgeschwindigkeitsprojekte treffen und ihre Solidarität mit der NO-TAV-Bewegung bekunden, können sie gemeinsam feiern, dass dieser seit über 20 Jahren bestehenden Bewegung auch mit überzogenen Schadensersatzforderungen nicht beizukommen ist.
Sabine Bade & Wolfram Mikuteit
Es kommt ja nicht oft vor, dass in deutschen Medien über die NO-TAV Bewegung in Italien berichtet wird, deshalb an dieser Stelle der Link zu einem aktuellen (April 2019) Artikel im Deutschlandfunk nebst Podcast desselben:
https://www.deutschlandfunk.de/streit-um-die-bahntrasse-turin-lyon-das-teuerste.724.de.html?dram:article_id=446792
„Großartig, fantastisch – uns fehlen die Worte!“
Mit diesen Zeilen wurden wir gerade darüber informiert, dass das Spendenaufkommen heute die 215.000-Euro-Marke erreicht hat.
Dieses Zeichen der Solidarität und tiefen Verankerung der NO-TAV-Bewegung in der Bevölkerung dürfte auch der Betreibergesellschaft LTF (Lyon Turin Ferroviaire) klarmachen, dass auch 6-stellige Schadensersatzforderungen nicht in der Lage sind, den berechtigten Widerstand gegen dieses Projekt zu stoppen.