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Fischia il vento: „Der Wind pfeift“ bei Madonna del Alto

„Die Lieder der italienischen Resistenza“, schrieb Rosanna Rosanda im Vorwort zu Gino Vermicellis Buch ‚Die unsichtbaren Dörfer‘, „sind nicht sehr fröhlich. Das bekannteste, nach der Melodie von »Katiuscia«, ist »Fischia il vento« und erzählt von der Härte des Partisanenlebens, seinem ständigen Zusammentreffen mit dem Tod“.

Den Text zur Melodie des melancholischen russischen Liebesliedes „Katjuscha“ verfasste Dr. Felice Cascione. Der aus Porto Maurizio stammende Arzt gehörte schon während seines Medizinstudiums in Bologna dem klandestinen antifaschistischen Widerstand an; 1943 trat er in die verbotene Kommunistische Partei Italiens ein. Nach gerade abgelegtem Examen war Felice Cascione einer der ersten, die direkt nach Bekanntgabe der Kapitulation Italiens am 8. September 1943 und der anschließenden deutschen Besatzung im Hinterland der ligurischen Küste eine Partisaneneinheit aufstellte.

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Eingeordnet unter Ligurische Alpen, Pennavairatal, Resistenza

Unser Piemont-Wanderführer nun auch in italienischer Sprache

Fraternali Editori, uns seit langem bekannt durch die Herausgabe der zur Zeit besten Wanderkarten des italienischen Westalpenbogens, hat unseren im Michael Müller Verlag erschienenen Piemont-Wanderführer in Italien herausgebracht.

Und am Samstag, den 12. Mai 2018, ist es soweit: Das druckfrische Buch wird auf der Turiner Buchmesse, dem Salone Internazionale del Libro, vorgestellt.

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Maurizio Fraternali und Michaela Wolff, die für die Übersetzung verantwortlich war, gilt unser besonderer Dank für die ausgezeichnete Zusammenarbeit!

Sabine Bade & Wolfram Mikuteit

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Eingeordnet unter Bücher und Filme, bergauf bergab

Granatal – Übernachtungsmöglichkeiten und Preise für 2013

Wie für das benachbarte Mairatal hat die Comunità Montana Valli Grana e Maira auch für das Granatal einen Flyer mit den für 2013 gültigen Preisen aller Übernachtungsstätten, vom Hotel bis zum Bivacco, online gestellt.

Granatal - Santuario San Magno, Foto: © Wolfram Mikuteit

OSPITALITA’ IN VALLE GRANA 2013 als PDF (346 kb).

Sabine Bade & Wolfram Mikuteit

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Eingeordnet unter Übernachten, Cottische Alpen, Granatal, Okzitanien

Valle Varaita: Neuer attraktiver Rundwanderweg in 12 Etappen

Am Anfang waren die Percorsi Occitani

Der Erfolg der Percorsi Occitani, des vorwiegend von deutschsprachigen Wanderern viel begangenen Rundwanderweges im Mairatal, lässt seit langem in vielen Nachbartälern Begehrlichkeiten aufkeimen. Leckere „Antipasti und alte Wege“ gibt es schließlich auch bei uns, grummelt es denn auch kaum verhohlen durch die Täler.

Stimmt. Von Trockenmauern gesäumte Maultierpfade, die zu hochgelegenen Sommerweiden mit bester Aussicht auf die umliegenden Gipfel der Cottischen Alpen führen, schmalere Wege, auf denen man in längst verlassene Dörfer gelangt und jahrhundertealter Siedlungsgeschichte im okzitanischen Sprachraum nachspüren kann, gibt es in allen benachbarten Tälern.

Längst auch gut markierte talerschließende Weitwanderwege wie den Sentiero del Plaisentif im Val Chisone und den Rundweg ‚Lou Viage’ im Valle Stura. Ganz zu schweigen von der bereits vor den Percorsi Occitani existierenden Alta Via Val di Susa.
Aber wenn sich mittlerweile auch die eine oder der andere Besucher im Mairatal etwas daran stößt, dort fast nur noch Deutsche und Schweizer zu treffen, wird viel zu selten über den Tellerrand in die oft nicht minder attraktiven Nachbartäler geschaut.

Ein neuer Versuch: Weitwandern im Valle Varaita

Wenn wir – nicht oft – in deutschsprachigen Printmedien über piemontesische Täler lesen, ist meist von einem ‚Geheimtipp’ für Einsamkeit suchende Wanderer und von ‚wilden Alpentälern’ mit einer Bevölkerungsdichte, die jene Alaskas locker hinter sich lässt, die Rede. Terra incognita für all jene, die vom Piemont nur die Poebene auf der Durchreise in die Toskana oder die Cinque Terre kennen.

In dieses Horn wollen wir nicht blasen: Das Valle Varaita gilt manchem als eines der schönsten Westalpentäler und ist damit kein Geheimtipp. Dennoch bleibt richtig, dass sich nirgends die Alpen so stark entvölkert haben wie in den piemontesischen Tälern entlang der französischen Grenze. Das kommt Einsamkeit und echte Naturerlebnisse suchenden Wanderern entgegen, zumal Weiler wie Chianale und Bellino das Klischée der „stehengebliebenen Zeit“ so gut bedienen, als wäre es hier entstanden.

Dazu passt, es nicht nur bei den begehrlichen Blicken hinüber ins Valle Maira zu belassen – sondern vor Ort selbst alles für den Aufbau eines sanften, angepassten Wandertourismus zu tun. Was auch dazu beitragen kann, die drohende Entsiedlung des Tales zu stoppen.

Dodieci giorni di trekking in Valle Varaita

Voriges Jahr erfuhren wir von dem Plan, im Valle Varaita einen Weitwanderweg nach Vorbild der Percorsi Occitani einzurichten. Daniele, der mit der Segnavia bereits eine tolle „Porta di Valle“ aufgebaut hat, die wir uns sehnsüchtig auch für andere Täler wünschen, erzählte uns davon. Was wir damals noch für einen sehr ambitionierten Plan hielten, der sicher nicht sehr schnell umgesetzt werden könnte, ist gerade Wirklichkeit geworden – und die Comunità montana Valli di Monviso hat dazu eine informative Broschüre herausgegeben.

Die 12 Etappen des neuen Rundwanderweges führen von Verzuolo am Eingang des Tales an den Nordhängen entlang Richtung Talschluss bis nach Chianale und entlang der gegenüberliegenden Hangseite zurück nach Costigliole Saluzzo. Rund 60 Stunden ist man unterwegs, wofür 10 bis 12 Tage zu veranschlagen sind:

Tappa 1: Verzuolo – Isasca (5 h)
Tappa 2: Isasca – Frassino (6 h)
Tappa 3: Frassino – Becetto (5.30 h)
Tappa 4: Becetto – Rifugio Bagnour (6.30 h)
Tappa 5: Rifugio Bagnour – Chianale (4 h)
Tappa 6: Chianale – Bellino, Borgata Chiesa (5 h)
Tappa 7: Bellino, Borgata Chiesa – Rifugio Meira Garneri (6 h)
Tappa 8: Rifugio Meira Garneri – Rore (4.30 h)
Tappa 9: Rore – Melle (5.30 h)
Tappa 10: Melle – Valmala (3.30 h)
Tappa 11: Valmala – Venasca (3.30 h)
Tappa 12: Venasca – Costigliole (5 h)

Der Weg verläuft – stes gut markiert – nur selten oberhalb von 2.000 Metern und ist bei mittelprächtiger Kondition für jeden durchgängig gangbar (italienisches Wanderwege-Rating „E“). Am Ende einer jeden Etappe gibt es bewirtschaftete Übernachtungsmöglichkeiten.

Die 3-sprachig abgefasste Broschüre (it/fr/en) zum Weg beinhaltet neben einem Verzeichnis der Übernachtungsmöglichkeiten und der ausklappbaren Übersichtskarte Beschreibungen und Kartenskizzen zu jeder einzelnen Etappe; im dazugehörigen Infokasten sind neben Dauer und Auf- und Abstieg auch die Anzahl der unterwegs passierten Brunnen/Quellen aufgeführt. Hier hätten wir uns lediglich zusätzlich die Information zur Länge der Etappe in Kilometern gewünscht.

12 Giorni di trekking in Valle Varaita

48 Seiten, Preis 3,50 Euro.

Erhältlich ist die Broschüre in der Segnavia, in der Informationsstelle der CM Valli di Monviso in Frassino und in mehreren Buchläden im Tal.

Wer diesen Rundweg nun noch um das ‚Sahnehäubchen’ des Varaitatals bereichern möchte, kombiniert ihn mit Teilen des Giro del Monviso. Der gehört ohnehin zum Varaitatal wie die Gardetta-Hochebene zum Valle Maira. Auch die Erstbesteigung des Monviso durch William Mathews 30. August 1861 erfolgte schließlich von Casteldelfino im Varaitatal aus.

Anbieten würde sich beispielsweise, die 5. Etappe durch den Weg über das Rifugio Vallanta und den Passo della Losetta durch das Vallone di Soustra nach Chianale zu ersetzen. Um hier nur eine von sehr vielen möglichen Varianten anzusprechen ….

Sabine Bade & Wolfram Mikuteit

 

 

Ein Kommentar

Eingeordnet unter Cottische Alpen, Monviso-Region, Okzitanien, Varaitatal

Partisanenpfade im Piemont – jetzt erschienen

Il libro è aperto – das Buch ist jetzt verfügbar – könnte man mit viel Phantasie und bei großzügiger Auslegung der italienischen Sprache sagen, hatte aber eine auch noch ganz andere Bedeutung:

Hochebene Conca del Prà Seit 1950 steht auf der idyllischen Hochebene Conca del Prà das Rifugio Willy Jervis in Erinnerung an einen der bekanntesten Protagonisten des Widerstandes im Val Pellice. Willy Jervis wurde am 5. August 1944 auf der zentralen Piazza von Villar Pellice erschossen, nachdem er den Deutschen in die Hände
gefallen war. Die ausgedehnte Hochfläche, über Villanova zu Fuß in ca. 3 h zu erreichen, ist heute zu Recht ein beliebtes Ausflugsziel, eignete sich aber auch hervorragend für die ab Juni 1944 vorgenommenen alliierten Versorgungsabwürfe. Wenn Radio London mit den Codewörtern Il libro è aperto einen Abwurf avisierte, eilten die Menschen aus Bobbio Pellice zur Conca hinauf, um Waffen, Munition und Lebensmittel einzusammeln.

Ein Interview zur Veröffentlichung
Wir haben uns kurz vor Erscheinen des Buches mit Hans-Peter Koch von SeeMoZ  (SeeMoZ – Lesenswertes aus Kultur und Politik für den Bodenseeraum und das befreundete Ausland) unterhalten – über Geschichten und Geschichte im Piemont, über grandiose Wanderwege und über den Widerstandsgeist der Piemonteser, der bis heute anhält.

Warum soll unsereins noch heute auf Partisanen-pfaden durchs Piemont stapfen?

Als wandernde Piemont-Liebhaber fällt uns die Antwort leicht: Schließlich liegt diese Region nicht nur – wie der Name ‚al piè dei Monti’sagt – am Fuße der Berge, sondern mittendrin. Und verfügt darüber hinaus über ein wunderbares Wanderwege-Netz, von dessen Attraktivität sich so mancher mittlerweile zertifizierte Premiumweg nördlich der Alpen eine Scheibe abschneiden kann.

Von der Nivolet-Passstraße Blick auf die Seen Angnel und Serrù Unsere Touren zwischen Gran Paradiso im Norden und Monviso im Süden folgen ausgewiesenen Wanderwegen durch National- oder Naturparkgebiete, führen über königliche Jagdsteige, alte Saumwege und stille Gebirgspfade. Und oberste Priorität hatte bei der Auswahl der Wege neben der historischen Bedeutung stets die Attraktivität des Weges und die der Landschaft.

Die schöne Dora Riparia an der Piazza CLN (Comitato di Liberazione Nazionale) – Fertigstellung im Jahr XVII der faschistischen Zeitrechnung Zudem: Unser Buch richtet sich nicht nur an passionierte Wanderer. Mit den Stadtspaziergängen durch Turin und Torre Pellice – beide auf den Spuren der Resistenza, dem 20-monatigen Widerstand gegen den Faschismus – kommt auch auf seine Kosten, wer sich aus Bergen rein gar nichts macht. Partisanenpfade im Piemont ist ein Reisebuch, ein Wanderbuch und ein Geschichtenbuch.

Dennoch: Was und wen kümmert heutzutage noch die alten Geschichten des Widerstands in Italien? Ist das nicht längst vergessen?

Wir haben ein Buch geschrieben, das wir selbst vor über 20 Jahren bei unseren ersten Wanderungen in den piemontesischen Alpen gern dabei gehabt hätten. Dazu muss man wissen, dass im Piemont – wie auch jenseits des italienisch-französischen Grenzkamms – Stolpersteine zur Erinnerung an die Opfer der NS-Zeit nicht in den Boden eingelassen und auch deutlich größer sind als bei uns. Sie sind unübersehbar und bedienen sich einer ganz unverblümten Sprache. Und nachdem wir Anfang der 1990er-Jahre auf einer wildromantischen Hochebene auf über 2.000 Metern Höhe über ein Mahnmal für Opfer dieses Widerstands ‚gestolpert’ sind, hat uns das Thema nicht mehr losgelassen.

Berglauf Memorial Partigiani Stellina Valsusa
Im Susatal wird jedes Jahr am Wochenende um den 26. August herum der Battaglia delle Grange Sevine gedacht: Am Sonntag startet in Susa am römischen Augustusbogen der traditionelle Berglauf Memorial Partigiani Stellina Valsusa, der meist recht treffend „Corsa di Bolaffi“ genannt wird. Schließlich liegt der Zieleinlauf auf der Alpe Costa Rossa direkt am Denkmal für Giulio Bolaffi, des legendären Comandante Aldo Laghi und seiner Divisione Stellina.

Wie aktuell dieses Thema einmal werden würde, haben wir allerdings bei Abgabe des Manuskriptes selbst noch nicht erahnt: Zwar hat der Internationale Gerichtshof in Den Haag im Februar diesen Jahres bestätigt, dass das Prinzip der Staatsimmunität Deutschland vor Entschädigungsforderungen wegen in Italien begangener nationalsozialistischer Kriegsverbrechen schützt. Doch das Urteil hat auch klargestellt, dass Deutschland zumindest eine moralische Verantwortung dafür übernehmen müsse und die Notwendigkeit einer ‚gemeinsamen Erinnerungskultur’ angemahnt. Da regt sich was, durchaus nicht nur in Italien, wo gerade Anfang Mai in Florenz ein Kongress zu diesem Thema stattfand. Auch in Deutschland setzen sich langsam immer mehr Institutionen mit der italienischen Resistenza auseinander.

Piemont ist wunderschön. Und hat eine beeindruckende Geschichte. Ihr habt schon angedeutet, dass in Eurem Buch auch die Geschichte des Widerstandes gegen die Faschisten beleuchtet wird…

Von ganz vielen Seiten. Angefangen bei der 40-seitigen Einführung in dieses nur wenig bekannte Thema. Schließlich wuchs die italienische Widerstandsbewegung vom September 1943 bis Ende April 1945 mit wohl 250.000 Mitgliedern zur zahlenstärksten Widerstandsbewegung Westeuropas an. Diese 20 Monate, in denen sich Menschen unterschiedlichster politischer Couleur – Liberale, Sozialisten und Kommunisten waren ebenso beteiligt wie Monarchisten – zusammen schlossen, um gegen deutsche Besatzung und italienischen Faschismus und für einen radikalen Wandel in ihrem Land zu kämpfen, haben das Piemont schließlich nachhaltig geprägt.

Redaktionsbüro von Il Pioniere - Partisanenzeitung im Untergrund
Il Pioniere – Partisanenzeitung im Untergrund. Aus Sicherheits-gründen residierte das Redaktionsbüro in einer der entlegensten Ecken des Angrognatals, in der kargen Barma de l’Ours auf über 1.200 Metern Höhe. Die erste hektographierte Ausgabe erschien am 30. Juni 1944 in einer Auflage von 800 Kopien.

Wir haben aber kein Geschichtsbuch geschrieben, sondern anhand ganz unterschiedlicher Artikel versucht, diese Geschichte erlebbar zu machen. Wir erzählen von Mussolinis Aufstieg – weil die Widerstandsbewegung nur verständlich wird vor dem Hintergrund, dass beim Kriegseintritt Italiens an der Seite Hitler-Deutschlands 1940 ein damals 18-jähriger italienischer Wehrpflichtiger nicht einen einzigen Tag in einem demokratischen Staat gelebt hatte. Wir erzählen auch von dem 1933 in Turin gegründeten Verlag ‚Giulio Einaudi Editore’, mit dem Leone Ginzburg, Cesare Pavese, Giulio Einaudi, Carlo Levi, Vittorio Foa und viele andere versuchten, die faschistische Zensur zu unterlaufen und Bücher zu verlegen, die zu kritischem Denken anregen sollten – und dafür auch langjährige Haftstrafen und Verbannung in Kauf nahmen.

Wir erzählen auch von dem Phänomen, das die italienische Historikerin Anna Bravo als eine der „größten Verkleidungsaktionen der italienischen Geschichte“ bezeichnet hat: Dass sich circa die Hälfte der Soldaten des italienischen Heeres, die sich am Tag der Waffenstillstandserklärung im deutschen Machtbereich befunden hat, durch Flucht der Gefangennahme und dem Transport in die deutschen Zwangsarbeitslager entziehen konnte.

Blick auf die Barre des Ecrins am Passo dell'Orso
Blick auf die Barre des Ecrins am Passo dell’Orso

Und weil Partisanenpfade im Piemont ein Wanderlesebuch ist, haben wir in Ergänzung zu den Tourbeschreibungen auch ganz viele kurze Hintergrundgeschichten geschrieben. In diesen ‚Themensplittern’ kann – wer mag – nachlesen, warum jedes kleine Dorf in Italien seine ‚Via Roma’ hat, was genau unter der italienischen ‚Judenkartei’ zu verstehen ist, wie Piero Gobettis Witwe Ada ihre Winterüberschreitung des Passo dell’Orso in ihrem Tagebuch beschrieb. Hier findet sich auch das Gedicht ‚Kamerad Kesselring’, geschrieben in Erinnerung an den Kriegsverbrecher, der kaltschnäuzig genug für die Bemerkung war, die Italiener täten gut daran, ihm für sein Verhalten in der Zeit, in der er den Oberbefehl auf dem italienischen Kriegsschauplatz innehatte, ein Denkmal zu errichten.

Unter Berlusconi wurde der italienische Faschismus wieder hoffähig…

2011 bei der jährlichen Gedenkfeier am Colle del Lys zu Ehren  2024 gefallenen Partisanen aus den Tälern Lanzo, Susa, Sangone und Chisone
2011 bei der jährlichen Gedenkfeier am Colle del Lys zu Ehren  2024 gefallenen Partisanen aus den Tälern Lanzo, Susa, Sangone und Chisone

Wir wollen keinen Mythos bedienen. Dass es einen ganz offenkun-digen Widerspruch zwischen Wachhalten der Erinnerung an den antifaschistischen Widerstand einerseits und dem mittlerweile durch langjährigen Berlusconismus veränderten Geschichtsver-ständnis vieler Italiener andererseits gibt, ist uns bewusst. Auch, dass der Abgang von Silvio Berlusconi nichts daran ändert, dass er Mussolini und den italienischen Faschismus in Italien wieder hoffähig gemacht hat. Auch wenn das dort, wo wir unterwegs waren und immer wieder sind, nur ganz selten in Erscheinung tritt.

Widerstand im Piemont hat Tradition bis auf den heutigen Tag. Findet sich das auch in Eurem Buch wieder?

Ponte dell'Arnodera - nach der am 29.12.1943 erfolgreichen Sprengung wieder instandgesetzt
Ponte dell’Arnodera – nach der am 29.12.1943 erfolgreichen Sprengung wieder instandgesetzt

Wir haben jeden Talbereich mit einem Motto überschrieben, und das Motto für das Susatal lautet: ‚Der Kampf um die Eisenbahn’. In der Zeit der Resistenza stand dies Motto für die Schlacht um die für die Deutschen so bedeutsame Eisenbahnlinie Turin – Fréjus – Modane, über die der Nachschub in das besetzte Südostfrankreich verlief. Heute steht dieses Motto für den Widerstand gegen den ‚Treno ad alta velocità’, beziehungsweise die Bauvorhaben, die hier geplant sind, um die Hochgeschwindigkeitslinie zwischen Turin und Lyon zu realisieren.

Wir verfolgen den Widerstand im Susatal seit Mitte der 1990er-Jahre (und haben auch in SeeMoZ mehrmals darüber berichtet). Damals lasen wir vom ‚Transalpedes’-Projekt, mit dem Umweltaktivisten um Dominik Siegrist und Jürg Frischknecht auf einer Wanderung am Alpenhauptkamm entlang auf die drohende Umweltzerstörung im Alpenraum aufmerksam machen wollten. Sie trafen in verschiedensten Regionen Menschen, die versuchten, sich gegen Fehlentwicklungen zur Wehr zu setzen. Einer von ihnen war Claudio Giorno, damals wie heute aktiv im Widerstand gegen die Betonlobby.

15.000 Teilnehmer auf einer spontan angesetzten Demonstration in Susa nach Räumung der Maddalena am 27. Juni 2011
15.000 Teilnehmer auf einer spontan angesetzten Demonstration in Susa nach Räumung der Maddalena am 27. Juni 2011

Das innerhalb der Widerstandsbewegung gegen das faschistische Mussolini-Regime und die deutsche Besatzung entstandene Motto „Ora e sempre Resistenza“ haben die Projektgegner längst zu ihrem gemacht. Man könne den Protest gegen das TAV-Projekt nicht von der Geschichte der Resistenza trennen, sagt denn auch Claudio Giorno. Piero Calamandrei, Professor für Zivilprozessrecht, hat 1955 in seiner berühmt gewordenen Vorlesung darauf hingewiesen, dass der Kampf um die italienische Verfassung in den Berggebieten ausgetragen wurde. Kein Wunder also, dass gerade dort dringender Nachbesserungsbedarf an eben dieser Verfassung aufgezeigt wird: Damit der Wille der ganz überwiegenden Mehrheit einer Region nicht einfach unter den Teppich gekehrt werden kann, damit auch beispielsweise das international geächtete CS-Gas nicht im Landesinneren verwendet werden darf und um unter anderem auszuschließen, dass Militär gegen die eigene Bevölkerung eingesetzt wird. Darum haben wir in unser Buch auch den Artikel „Ora e sempre Resistenza: NO TAV!“ aufgenommen.

Ihr seid Reiseschriftsteller. Über welche anderen Regionen kann man Reisetipps von Euch erfahren?

Einspruch.Dass wir Sachbücher schreiben, macht uns nicht zu Schriftstellern. Auf unserer Internetpräsenz westalpen.eu sowie hier im Blog veröffentlichen wir regelmäßig Hintergrundinfor-mationen und berichten über kuriose und nicht alltägliche Geschichten aus unserem Zielgebiet, den italienisch-französischen Westalpenbogen zwischen Genfer See und Mittelmeer.

Und dort schreiben wir manchmal auch über Schriftsteller, etwa den französischen Literaturnobelpreisträger Jean-Marie Gustave Le Clézio. Der hat in seinem Buch ‚Fliehender Stern‘ die Geschichte einer Gruppe von Juden unterschiedlichster Nationalität erzählt, die zwischen März und September 1943 im französischen Saint-Martin-de-Vésubie Zuflucht vor den Deutschen gefunden hatte. Als die von Süden vorrückten, machte sich die Gruppe auf den beschwerlichen Weg über die Berge nach Italien. Ihre Hoffnung – mittlerweile war Mussolini abgesetzt und am 8. September der italienische Waffenstillstand erklärt – so in die Freiheit zu gelangen, trog: Die Deutschen marschierten am 12. September auch in diese Region ein und besetzten die italienischen Stellungen. Die Flüchtlinge wurden von den Deutschen auf Basis der von Mussolini 1938 'Memoriale della Deprtazione' in Borgo San Dalmazzo erlassenen Rassengesetze verhaftet, in Borgo San Dalmazzo (Provinz Cuneo) in Güterwaggons gepfercht und nach Auschwitz transportiert, wo 311 Menschen dieser Fluchtgruppe ermordet wurden. Ein Ereignis, auf das heute am Bahnhof von Borgo San Dalmazzo das ‚Memoriale della Deportazione‘ hinweist.

Derartige Hinweise auf Geschehnisse abseits des reinen Wanderweges sind auch in unsere bisher erschienenen sieben Wanderführer eingeflossen.

Die Fragen stellte Hans-Peter Koch

Partisanenpfade im Piemont. Orte und Wege des Widerstands zwischen Gran Paradiso und Monviso. Ein Wanderlesebuch von Sabine Bade und Wolfram Mikuteit. Das Buch: Sabine Bade | Wolfram Mikuteit: Partisanenpfade im Piemont. Orte und Wege des Widerstands zwischen Gran Paradiso und Monviso. Ein Wanderlesebuch. Verlag Querwege, Konstanz 2012, 272 Seiten, mit detaillierter Karte zu jeder Tour, mit GPS-Tracks und Waypoints zum Download, mit vielen Farb- und historischen s/w- Aufnahmen, ISBN 978-3-941585-05-8, EUR 19,90. Das gesamte Inhaltsverzeichnis und viele andere Informationen zum Buch auf Facebook.

 

 

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