Archiv der Kategorie: Resistenza

Unser neuer Blog: Resistenza.eu

Unsere Linkliste hat – hauseigenen – Nachwuchs bekommen: Ende Februar erblickte unser neuer Blog Resistenza.eu das Licht der Welt.

Bereits seit einiger Zeit – spätestens durch die Arbeit für das Gedenkorte-Portal – hatte sich angedeutet, dass unser vor über 20 Jahren auf der Gardetta-Hochebene entstandenes Interesse an der Geschichte der durch Lager, Deportationen, Zwangsarbeit und Massaker an der Zivilbevölkerung gekennzeichneten deutschen Besatzung Italiens und den Widerstand dagegen die geografischen Grenzen des Westalpenblogs sprengen würde.

Gardetta-Hochebene - Foto: © Wolfram Mikuteit

Über die aus Turin stammende Mitbegründerin der Widerstandsbewegung Giustizia e Libertà Ada Gobetti konnten wir hier berichten, wie auch über den Schwur von Garda im Susatal, den Stolpersteinspaziergang in Saluzzo und den Fluchtweg der Juden über die Seealpen.

Colle di Finestra, 2.474 m - Fluchtweg über die Seealpen - Foto: © Wolfram Mikuteit

Aber bereits mit einem Artikel über die Partisanenrepublik von Alba und Beppe Fenoglios Buch „I ventitré giorni della città di Alba“ wäre es arg eng geworden: Alba liegt zwar im Piemont, aber nun wirklich nicht mehr am Alpenrand. Ganz zu schweigen etwa von Genua, wo heute im früheren Folterkeller des Gestapo-Hauptquartiers das Andenken an den Berliner Widerstandskämpfer Rudolf Seiffert wachgehalten wird. Oder Anmerkungen zur Einstellung des Ermittlungsverfahren gegen Angehörige der 16. SS-Panzergrenadierdivision „Reichsführer SS“ wegen Beteiligung am Massaker im toskanischen Dorf Sant’Anna di Stazzema.

Casa dello Studente, Genua - Foto: © Sabine Bade

Für all diese Themen – und interessante Gedenkorte, Zeitzeugenberichte und Hintergrundinformationen aus Rom, Marzabotto, Venedig, Padua, Fossoli etc. – gibt es nun den Resistenza-Blog.

Über einen Besuch daselbst freuen sich

Sabine Bade & Wolfram Mikuteit

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Sacha Sosno und das Liberator’s Monument

Vor einigen Tagen ist der Bildhauer Sacha Sosno gestorben. Als Alexandre Joseph Sosnowsky in Marseille geboren, Mutter Französin, Vater Este, begann er mit 11 Jahren zu malen – vielleicht inspiriert vom Nachbarn Henri Matisse? -, studierte in Paris Politikwissenschaft, arbeitete als Kriegsreporter und -fotograf in Irland, Biafra und Bangladesh. Mit Ausstellungen im In- und Ausland hat er sich einen Namen als Maler und Bildhauer gemacht, mit seinen gefeierten Skulpturen die Côte d’Azur geprägt. Sein wohl bekanntestes Werk steht mit der über 26 Meter hohen Tête Carrée in Nizza: mit Sosnos eigenen Worten die erste „bewohnte Skulptur“ der Welt. Das Viereck beherbergt die Verwaltung der Bibliothek Louis Nucéra. Nur Wenige hingegen kennen sein Liberator’s Monument oberhalb der Gemeinde Fontan im Royatal, die Gedenkstätte für die Crew der ‚Dallas Lady‘.

Liberator’s Monument
Die Geschichte begann am Abend des 12. September 1944:
Auf einem Militärflugplatz in Algier wurde die ‚Dallas Lady‘, eine US-Transportmaschine des Typs B-24 Liberator, für ihren Flug über das Mittelmeer beladen. An Bord: Waffen und Munition für die italienischen Partisanen in ihrem Kampf gegen die deutschen Besatzer.
Die Wetterbedingungen waren nicht gut und verschlechterten sich nach dem Start von Captain John Desjardins und seiner zehnköpfigen Crew zusehends. Dass es am Wetter gelegen haben muss, ist die wahrscheinlichste Erklärung dafür, dass die Maschine von der vorgegebenen Route abkam, gegen einen Berg am Plateau de la Ceva im von den Nazis okkupierten Royatal stürzte und zerschellte. Keiner der elf jungen Amerikaner überlebte. Die Explosion war noch in Fontan zu hören, und die munitionsgeladene Maschine brannte – trotz des Regens – noch tagelang.

Die Menschen in Fontan vergaßen die Abgestürzten nicht, machten sie zu einem Teil ihrer Geschichte. Acht Monate später mussten die Deutschen endlich kapitulieren, der Krieg ging zu Ende, und alle Energien wurden in den Wiederaufbau und die politische Zukunft investiert: gemäß des Abkommens von Paris sollten die Bewohner der Nachbargemeinden Tende und La Brigue mit Volksentscheid darüber befinden, ob sie bei Italien bleiben oder Frankreich angehören wollen. Am 17. September 1947 wurden die nördlich von Fontan stehenden Grenzbefestigungen abgebaut.

Weniger bewegte Zeiten ließen dem Bürgermeister Jahrzehnte später etwas Luft, um über ein Symbol für den Ort Fontan nachzudenken, ein Denkmal, das ganz charakteristisch für den Ort sein sollte. Er lud den in Nizza ansässigen Bildhauer Sacha Sosno ein, Vorschläge dafür zu unterbreiten. Als Sacha Sosno die Geschichte des Flugzeugabsturzes aus dem September 1944 erzählt wurde, entschloss er sich, den 11 abgestürzten Amerikanern ein Denkmal zu setzen – nicht in Fontan, sondern direkt an der Absturzstelle auf dem Plateau de la Céva. Denn: „Merkwürdigerweise vergessen die Menschen; es ist unbeschreiblich, was Menschen alles vergessen.“

Er setzte 11 Säulen aus sardischem Granit in eine Art Betonwanne, die nahezu viertausend Teile der abgestürzten ‚Dallas Lady‘, mühevoll von ihm und freiwilligen Helfern ausgegraben, enthält. Auf jeder der elf Granitsäulen ist der Heimatstaat der Opfer eingraviert.

Das ‚Liberator’s Monument‘ wurde 1991 eingeweiht – gegen das Vergessen.

Sabine Bade & Wolfram Mikuteit

 

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Das Monumento Partigiano in Trois-Villes, Aostatal

Der Ort
Trois-Villes ist eine auf ca. 1.350 Metern Höhe liegende Teilgemeinde von Quart. Erreichbar ist der Ort von Aosta in östlicher Richtung über die Strada Statale (SS) 26, von der man in Saint-Christoph in Richtung Trois-Villes abbiegt, der Ausschilderung bis Avisod folgt und dort an der Kirche rechts abbiegt (ca. 22 km ab Aosta).

Das Geschehen
Im Sommer 1944 hatte die Partisanengruppe „13. Banda Émile Chanoux“ in Trois-Villes ihr Quartier. Am 17. August unternahm sie einen Angriff auf einen Posten der faschistischen Miliz in Nus und machte dabei zwei Gefangene. Noch vor Ablauf der Verhandlungen über einen Gefangenenaustausch griffen deutsche und italienische Truppen am 23. August 1944 Porsan, Avisod und Fonteil (Trois-Villes) an und setzten das gesamte Dorf in Brand. Vier Partisanen kamen dabei ums Leben, über 100 Häuser brannten bis auf die Grundmauern ab.
Nach Ende des Krieges beteiligten sich ehemalige Partisanen am Wiederaufbau von Trois-Villes.

Gedenken
Oberhalb des Dorfes wurde zehn Jahre nach dem verheerenden Brand eine erste – mittlerweile erneuerte – Gedenktafel angebracht. 1963 wurde die „Area Monumentale del Partigiano“ eingeweiht. Die auf einem Felsbrocken stehende weithin sichtbare Statue stellt einen Partisanen unter der Folter dar.

Sabine Bade & Wolfram Mikuteit

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Gedenkorte in Italien und Frankreich

Wenn wir in unsere bewusst knapp gehaltene Linkliste – das Schielen auf ‚Klickraten’ überlassen wir gerne Anderen – neue Einträge aufnehmen, ist uns das eine Meldung wert. Das Internetportal „Gedenkorte Europa“ bietet einen interessanten Wegweiser zu Orten in Italien und Frankreich, in denen an die Besetzung durch Nazi-Deutschland, an Lager, Deportationen, Zwangsarbeit, Massaker an der Zivilbevölkerung und den Widerstand durch französische Résistance und italienische Resistenza erinnert wird.

Goethe hatte recht: Man sieht nur, was man weiß
Auf der Gardetta-Hochebene sind wir Anfang der 1990er-Jahre auf über 2.000 Metern Höhe erstmals gestolpert: Über ein großes Eisenkreuz mit einer Inschrift zum Gedenken an die Gebrüder Renato und Vincenzo Stasi, „Vittimi innocenti della violenza nazista, uccisi in questo luogo il 21 agosto 1944“.

Da halfen weder leidlich gute Schulbildung noch ein langes Studium. Unser erster Impuls war: „Was hatten denn die Nazis auf dieser Wiese zu suchen?“

Im Piemont, wie auch im übrigen Italien, sind ‚Stolpersteine‘ zur Erinnerung an die Opfer der NS-Zeit nicht in den Boden eingelassen und auch deutlich größer als bei uns. Sie sind unübersehbar und bedienen sich einer ganz unverblümten Sprache. Was allerdings nichts daran ändert, dass sich bei einmal gewecktem Interesse die Suche nach Hintergrundinformationen über die jeweiligen Ereignisse sehr schwierig gestaltet.

Wir wollten nicht nur erfahren, was geschehen war in diesen 20 Monaten zwischen September 1943 und Ende April 1945, sondern auch aus welchen Beweggründen sich Menschen ganz unterschiedlicher politischer Couleur zusammengeschlossen hatten, um gegen deutsche Besatzung und italienischen Faschismus und für einen radikalen Wandel in ihrem Land zu kämpfen. Bis sich aus all den Mosaiksteinen, die wir unterwegs auf unseren Touren fanden – in kleinen Buchläden vor Ort und in großen Archiven in Deutschland – ein zusammenhängendes Bild ergab. Für die Alpenregion zwischen Gran Paradiso und Monviso – irgendwo mussten wir schließlich anfangen und haben uns für die piemontesische Provinz Turin entschieden – haben wir mit „Partisanenpfade im Piemont das Buch geschrieben, das wir selbst vor über 20 Jahren bei unseren ersten Wanderungen gern dabeigehabt hätten.

Für andere Gebiete der Westalpen, für das Aostatal, Ligurien, die französischen Regionen Provence-Alpes-Côte d’Azur und Rhône-Alpes wie auch andere Provinzen des Piemonts verweisen wir nun (zunächst) auf das neue Gedenkorte-Portal des Studienkreises Deutscher Widerstand.

Neues Internetportal zu Orten von NS-Verbrechen und Widerstand
Mit dem Internetportal gedenkorte-europa.eu will der in Frankfurt am Main ansässige, 1967 von Martin Niemöller, Wolfgang Abendroth und anderen gegründete Studienkreis Deutscher Widerstand 1933-1945 e.V. an die Geschichte der Besatzung und des Widerstands in Europa während der Nazi-Diktatur erinnern und zu Besuchen der Gedenkorte anregen, die Wege dorthin aufzeigen und erste Informationen anbieten.

Mehr als 700 Gedenkstätten in Frankreich und Italien umfasst das Portal bereits, das seit Ende Januar 2013 – punktgenau zum Gedenken an den 80. Jahrestag der Machtübernahme durch die NSDAP – zur Verfügung steht: Neben auch bei uns bekannten Orten wie Marzabotto, den Ardeatinischen Höhlen, Sant’Anna di Stazzema und Oradour-sur-Glane, Lagern wie Drancy, Gurs, Fossoli und Bozen sind es vor allem kleinere Orte, die in keinem Reiseführer erwähnt werden. Gegliedert nach Staat und Regionen wird zu jedem der aufgeführten Gedenkorte über die Geschehnisse und das Gedenken daran vor Ort informiert. Google-Maps-Karten erleichtern nicht nur die Anfahrt sondern auch das Auffinden von Museen, Monumenten, Gedenksteinen für Opfer des Widerstands und Hinweistafeln auf Verbrechen der Besatzungsmacht.

Einführungen zu den Regionen, Sachstichworte wie z. B. Kollaboration, Judenverfolgung, Partisanenbekämpfung, Maquis oder Frauen im Widerstand bietet das Portal ebenso wie viele Kurzporträts von Tätern/ Faschisten (u.a. Kesselring, Rommel, Engel, Barbie und Best) und Opfern/ Widerständlern wie Duccio Galimberti, Primo Levi, Jean Moulin, Lucie Aubrac und vielen anderen. Fotos und Wegbeschreibungen, Literatur- und Medienhinweise ergänzen die Texte.

Gedenkorte Europa 1933 - 1945

Punkte auf der Landkarte für Geschichte, die in Reiseführern fehlt
Dass es in Borgo San Dalmazzo ein Konzentrationslager gab, wissen Leser unseres Blogs. Auch über die Stolpersteine entlang des ‚Tracce del ricordo‘ in Saluzzo haben wir hier bereits berichtet. Über Boves,  wo deutsche Truppen bereits in den ersten Besatzungstagen mit brutalen Vergeltungsmaßnahmen auf Widerstand antworteten und den Ort zu einem „Archetyp späterer Blutbäder“ (Lutz Klinkhammer) machten, informiert das Gedenkorte-Portal. Weist in Cuneo den Weg zum Parco della Resistenza und der Casa Galimberti und zeigt auf, wie die Fondazione Nuto Revelli aus der verlassenen Sommersiedlung Paralup im Sturatal einen sehr ambitionierten Ort der Erinnerung geschaffen hat.

Aber auch bei Städten abseits der Westalpenregion, die wir gut zu kennen glaubten, werden wir durch das Gedenkorte-Portal auf Orte und Plätze hingewiesen, die uns bisher nie aufgefallen sind. Ein etwas anderer Blick auf Côte d’Azur, Toskana, Korsika und Rom.

Sabine Bade

Mitglied der Redaktion von gedenkorte-europa.eu

 

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DIE ZEIT über Partisanenpfade im Piemont

Vom Colle della Croce di Ferro, 2.558 m,  wieder hinunter zum Lago di Malciaussia - Foto: © Wolfram Mikuteit

In ihrer Printausgabe vom 12. September 2013 hat DIE ZEIT unter dem Motto „Im Felsenmeer der Partisanen“ über unsere Partisanenpfade in den Lanzotälern berichtet.

Der Artikel ist jetzt auch online verfügbar:

http://www.zeit.de/2013/38/italien-piemont-lanzotaeler

Sabine Bade & Wolfram Mikuteit

 

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