Ouvertüre
Ein Wanderführer muss aktuell sein. Und je weniger Hintergrundinfos er uns liefert, desto beharrlicher pochen wir auf diesen Umstand.
„Unmöglich“, hören wir auf dem Off, „Ihr müsstest doch wissen, dass manche Infos bereits veraltet sind, bevor ein Wander- oder Reiseführer auch nur veröffentlicht ist.“
Wenn es sich dabei um Telefonnummern, URLs oder Preise von Unterkünften handelt – Haken dran. Ist einfach unvermeidbar. Und auch ansonsten bestens unterhaltene Wanderwege können schon mal durch einen Geröll- oder Lawinenabgang in Mitleidenschaft gezogen, schlimmstenfalls unpassierbar werden.
Lac Miserin – 2.576 m, Notre Dame de la Neige und Alta Via 2
Aber schließlich leben wir im Internetzeitalter, das erlauben würde, recht zeitnah – und damit lange vor der nächsten Auflage – über Veränderungen am Inhalt des einmal gedruckten Produktes zu informieren. Doch schaut man sich die gelebte und veröffentlichte Praxis der Verlage an, sucht man nach Updates meist vergeblich. Selbst der Marktführer kann es sich anscheinend erlauben, lediglich eingesandte Leserzuschriften kommentarlos zu veröffentlichen. Auf dass wir immer wieder, nun ja: Überraschungen erleben müssen.
Wie sich ein über 10 Jahre alter Wanderführer noch heute gut bewähren kann…
Unsere in der „Ouvertüre“ geäußerte Kritik an den vorherrschenden Verlagskonzepten zielt aber natürlich nur auf noch heute bestehende Wanderführer-Reihen – zu denen der „Verlag der Weitwanderer“ leider schon lange nicht mehr gehört.
Ansprüche an Aktualität wären hier also abstrus. Trotzdem ist der bereits im Jahr 1999 erschienene Wanderführer „Die Höhenwege des Aostatals“ von Frank Rainer Scheck auch heute sehr lesenswert.
Denn die vielen dort gelieferten Hintergrundinformationen veralten schließlich nicht. Und welcher Verlag erlaubt sich heute schon noch den Luxus, allein 20 eng bedruckte Seiten der Geschichte der beschriebenen Wanderregion zu widmen? Und weder die Geomorphologie noch die Kapitel zu Klima, Fauna und Flora zu vernachlässigen?
Kurz: Wer im Aostatal nicht nur Höhenmeter in der Terra incognita des italienischen Nordwestens machen will, sondern etwas über die Besonderheiten und Kulturen der insgesamt 16 Seitentäler des Aostatals erfahren möchte, ist mit diesem Buch nach wie vor gut bedient.
Obwohl die Wegführung der 4 beschriebenen Alte Vie 11 Jahre nach Drucklegung selbst bereits zur in der Einleitung skizzierten „Geschichte der Höhenwege“ zählt.
Wer heute auf der Alta Via Due unterwegs ist, muss sich beispielsweise über Gletscherquerungen keine Gedanken mehr machen und kann Seil, Steigeisen und Pickel getrost zu Hause lassen. Bereits im Jahr 2004 ist die Etappe zwischen dem Valgrisenche und dem Tal von La Thuile entschärft und der Streckenverlauf verändert worden. Die etwas heikle Passage über den vergletscherten Passo di Planaval (3.016 m), die manchen von dieser traumhaft schönen Route durch die Täler des Gran Paradiso Nationalparks im Süden des Aostatals abgehalten hat, gehört somit längst der Geschichte an. Wie auch Vieles andere mehr.
… wenn praktische Detailinfos im Internet zur Verfügung stehen
Und die werden in diesem konkreten Fall nicht vom Verlag oder dem Autor geliefert – sondern von der Tourismuszentrale der Autonomen Region Aosta.
Fremdenverkehrsbüro – Aosta
Piazza Chanoux, 2
Telefon: (+39) 0165.236627
Fax: (+39) 0165.34657
E-Mail: aosta@turismo.vda.it
Auf dieser Internetseite findet sich nicht nur eine Übersicht über die Route der Alta Via 2, sondern auch die gesamte Broschüre mit Wegbeschreibungen zum Download. Die gesamte etwa 70-seitige Broschüre (Alta Via 1 + Alta Via 2) gibt es in den meisten Tourismusbüros vor Ort, auf jeden Fall aber in Aosta.
Frank Rainer Scheck: Die Höhenwege des Aosta-Tals. Verlag der Weitwanderer. Bestellbar bei Alpina – Johann Neumann, Pf. 1211, 85609 Aschheim bei München, Tel: 089/9037655, Fax: 089/9035100, E-Mail: info@alpina-buch.de
Das Motto heißt also:
Man nehme den Wanderführer von Frank Rainer Scheck (der die Alta Via Due in West-Ost-Richtung beschreibt) für die umfangreichen Hintergrundinformationen zur Region und ziehe sich die konkreten Wegbeschreibungen aus dem Netz (hier: Ost-West-Richtung). Und fertig ist der aktuelle Wanderführer!
Sabine Bade & Wolfram Mikuteit