Viel ‚Bewegung‘ in Vinadio

Was den Besucher seit Juli dieses Jahres beim Eintritt in das Forte Albertino in Vinadio empfängt, soll nach Anspruch der Gestalter kein Museum sein, kein ethnografisches, kein Ecomuseum und auch kein alpines Museum, einfach überhaupt kein Museum. Geschaffen werden sollte – wenn wir die Idee richtig verstanden haben – ein Pfad durch Vergangenheit und Gegenwart der Alpentäler der Provinz Cuneo, der damit konfrontiert, was Leben in den Bergen bedeutet. Gestern und heute.
Das Sturatal, das schon beim zweiten Blick weit mehr zu bieten hat, als einem Transittal gemeinhin zugetraut wird, ist, so viel scheint sicher, mit ‚Montagna in Movimento – Percorsi Multimediali Attraverso le Alpi Meridionali‘ um eine Attraktion reicher.

Forte di Vinadio

Allein schon der sorgfältig renovierte Teil der riesigen Festungsanlage von Vinadio, in den der Percorso integriert wurde, ist sehenswert. Die zwischen 1834 und 1847 im Auftrag von König Carlo Alberto errichtete Sperranlage war nach einer letzten miltärischen Nutzung als Kaserne 1945 von den abziehenden deutschen Truppen teilweise zerstört und danach dem allmählichen Verfall überlassen worden. Anfang der 80er Jahre des vergangenen Jahrhunderts wurden von der comunità montana Valle Stura zwar erste Pläne für die Restaurierung mit anschließender touristischer Nutzung angestoßen, die konnten aber erst in den letzten Jahren mit finanzieller Unterstützung der Region Piemont und etlicher Sponsoren weiterentwickelt und konkretisiert werden. Die Räumlichkeiten würden nun so manchem Großstadtmuseum zur Ehre gereichen, die ‚location‘ stimmt also.

Und wer zum ersten Mal in die piemontesischen Alpen kommt, sollte sich ‚Montagna in Movimento‘ keinesfalls entgehen lassen. Weil der Percorso einen guten Überblick gibt über Themen, die die Menschen zwischen Valle Po und Valle Pesio beweg(t)en:
Die Staatsgrenzen, die in den letzten 500 Jahren gerade in dieser Region so oft verschoben wurden und die Menschen immer wieder zur Aufgabe von Nationalität und Sprache zwangen, das Okzitanische, das auch heute noch in einigen oberen Talbereichen gesprochen wird, alpenhauptkammquerende Salzstraßen, Schmuggel und Transhumanz als Broterwerb, ländliche Architektur und alpine Umwelt, aus der Not geborene Landflucht und ihre Folgen, die Gründung des italienischen Alpenvereins sowie erste Aspekte des Massentourismus. Um hier nur einige Themen aufzulisten.

montagna-in-movimento

Dass unsere Begeisterung hierfür etwas verhalten ausfällt – ganz im Gegensatz zu unserer Bewunderung für die sechs Installationen von Richi Ferrero in Exilles und das Alpine Museum in Turin – mag denn auch daran liegen, dass der Bogen in Vinadio etwas weit gespannt wurde und damit zwangsläufig etwas flach ausfällt, an der Oberfläche verharrt.
‚Montagna in Movimento‘ ließ uns seltsam unberührt, was vielleicht damit zusammenhängt, dass drei Monate nach der Eröffnung noch an vielen Stellen gebaut wird. Vielleicht werden fehlende Erklärungen, die mancherorts zum Verständnis hilfreich wären, noch angebracht und dafür gesorgt, dass die Besucher Bilder einfach auf sich wirken lassen können, anstatt sich fragen zu müssen, was sie anstellen müssen, damit sich ‚etwas bewegt‘.
Kinderkrankheiten, von denen wir hoffen, dass sie bei Wiedereröffnung nächstes Jahr im Mai bereits überwunden sind.
In der Zwischenzeit macht die hervorragende Homepage des Forte di Vinadio hoffentlich viele Leser neugierig – damit sie nach Vinadio fahren und unsere Einschätzung widerlegen!

Sabine Bade & Wolfram Mikuteit

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Eingeordnet unter abseits des Weges, Cottische Alpen, Sturatal

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