Das Problem der Alpeneinteilung. Was sind eigentlich die Westalpen?

Über Manches haben wir uns Gedanken gemacht, bevor wir erst unsere Homepage und kurz darauf dieses Blog starteten – nur nicht über den Namen! Der stand von Anfang an fest, denn schließlich umreißt der Begriff ‚Westalpen‘ das gesamte Gebiet, in dem wir wandernd unterwegs sind.

Alpeneinteilung So jedenfalls war unser – von keinerlei akademischer Diskussion über die Frage einer alpenweit anerkannten Alpeneinteilung getrübtes – Vorverständnis: was die Italiener ‚Alpi Occidentali‘ und die Franzosen ‚Les alpes occidentales‘ nennen, waren für uns damals (und sind es noch heute) die ‚Westalpen‘. Und die reichen vom Col Ferret im Aostatal bis zum Colle di Cadibona in Ligurien.

Alpeneinteilung Dass wir uns mit der Übernahme der in Italien und Frankreich vorliegenden Dreiteilung (West-, Zentral- und Ostalpen) von der zwischen Deutschem, Österreichischem und Südtiroler Alpenverein  verabredeten Zweiteilung der Alpen verabschiedeten, war uns klar. Aber bei dem ohnehin bestehenden definitorischen Wirrwar nahmen wir bisher entstehende Irritationen billigend in Kauf.

Noch immer keine von allen Alpenstaaten anerkannte Einteilung der Alpen in Gebirgsgruppen …
… Was aber nicht heißen soll, dass es keine genaue Umgrenzung der Westalpen/ Alpi Occidentali/ Alpes Occidentales gäbe!
Wie die Deutschen, Österreicher und Südtiroler, die mit ihrer ‚Alpenvereinseinteilung der Ostalpen‘ von 1924 – die auf der im gleichen Jahr von Josef Moriggl im „Ratgeber für Alpenwanderer“ veröffentlichten Einteilung basierte – die Gebirgsgruppierungen und ihre jeweiligen Umgrenzungen ‚ihrer‘ Alpenanteile fixierten, so verständigten sich Franzosen und Italiener während des IX Congresso Geografico Italiano 1926 auch auf eine gemeinsame verbindliche Alpeneinteilung.
Sowohl die Alpeneinteilung von DAV/OEAV/AVS als auch die von CAI/CAF haben zwischenzeitlich diverse Modifikationen durchlaufen, blieben aber im Kern unverändert: die Einen unterteilen die Alpen in zwei, die Anderen in drei Großgruppen.
Dass zudem die Schweiz eine eigene Einteilung vornimmt, bei der die Kantonsgrenzen, also politische Grenzen, bei der Abgrenzung der Gebirgsgruppen eine wichtige Rolle spielen, soll hier lediglich der Vollständigkeit halber erwähnt werden.

Das Fehlen einer alpenweiten Vereinbarung treibt für die italienisch-französischen Westalpen seit Jahrzehnten im deutschsprachigen Raum kuriose Blüten, beziehungsweise scheint Jedem zu erlauben, sich seine eigene Einteilung zusammenzustricken. Der Bergverlag Rother beispielsweise hat eine eigene Karte, nach der die Ligurischen Alpen noch einen Teil des Apennin umfassen und die Grajischen Alpen sich kurios nach Süden ausdehnen. Andere Verlage wiederum haben andere Alpeneinteilungen. Auch auf der von Johannes Führer 1980 in „Bergwelt“ basierenden Westalpeneinteilung fußt so mancher Autor. Dass hier beispielsweise die „Thabor-Gruppe“ weder den Cottischen noch den Grajischen Alpen zugeordnet werden konnte – also im luftleeren Raum schwebt – sei nur am Rande erwähnt.

All das hat uns aber bisher wenig interessiert, und wir waren unterwegs bestens damit bedient, uns an die landestypischen Bezeichnungen zu halten. Um nicht eventuell nur umgangssprachlich verwendeten Bezeichnungen aufzusitzen – gern nennen beispielsweise die Italiener die Ligurischen Alpen auch ‚Alpi di Mare‘, woraus dann bei deutschen Autoren manchmal die ‚ligurischen Seealpen‘ (sic!) werden – haben wir keine Mühen gescheut und die jüngst veröffentlichten Alpenstandardwerke aus Frankreich und Italien (‚Dictionaire encyclopédie des Alpes‘, 2006 und ‚Il Grande Dizionario Enciclopedico delle Alpi‘, 2007) konsultiert. Fazit: alles im grünen Bereich was unsere auf der Westalpen-Homepage verwendete Gruppierung anbelangt.

Was Wissenschaftler und Alpenvereine nicht schafften – WIKIPEDIA gelingt’s!
Das Fehlen einer alpenweiten, international anerkannten Gliederung in Gebirgsgruppen hat immer wieder Wissenschaftler zu neuen Modellen angeregt. Das von Dr. Paul Zahl erarbeitete und von Professor Werner Bätzing erweiterte „Knotenpunkt-Konzept“ (*) gehört ebenso dazu wie Sergio Marazzis ‚Suddivisione Orografica Internazionale Unificata del Sistema Alpino‘ (SOIUSA), die im Jahr 2005 veröffentlicht wurde.
Marazzis SOIUSA hat eine große Fangemeinde in der virtuellen Welt: im italienischsprachigen WIKIPEDIA wurden seit Herbst 2008 alle Gebirgsgruppen nach SOIUSA umbenannt und entsprechende Gliederungsgrafiken eingefügt. Was deutsche WIKIPEDIAner nun vermuten ließ, dass es sich dabei um eine offizielle neue Alpengliederung handeln müsse. Schon heute (Stand: 3. Mai 2009) finden sich in der deutschen WIKIPEDIA Artikel, in denen Alpengruppen „gemäß internationaler Übereinkunft (SOIUSA)“ definiert werden.
Weil schnell zur ‚Wahrheit‘ wird, was in WIKIPEDIA steht, man denke nur an den neuen Vornamen, den unser derzeitiger Wirtschaftsminister durch dieses von Jounalisten oft und gerne zu Rate gezogene Medium erhielt, haben wir beim Präsidenten des Club Alpino Italiano (CAI), Annibale Salsa, nachgefragt.
Ergebnis: bei SOIUSA handele es sich – wie wir bereits vermuteten – lediglich um ein ‚Konzept‘, einen Vorschlag zur Neugliederung der Alpen. Keine Rede also von einer ‚internationalen Übereinkunft‘!

Unser Blog kann seinen Namen also behalten, und wir sind weiterhin „unterwegs in den Westalpen“.

Sabine Bade & Wolfram Mikuteit

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(*) An sogenannten ‚Knotenpunkten‘ schneiden sich Wasserläufe und Gratstrukturen und ermöglichen eine systematische – alpenweite – Abgrenzung von Gebirgsgruppen.

Viel besser, als wir Laien das beschreiben können, in:
Werner Bätzing, “Bildatlas Alpen – Eine Kulturlandschaft im Porträt“, Primus Verlag, Darmstadt 2005, ISBN 3-89678-527-3.

Übrigens: Der Titel „Bildatlas“ suggeriert ein wenig, es handele sich bei diesem Buch um einen Bildband. Ein klassisches Understatement, wie wir finden, da die vielen Fotos die gegebenen Erklärungen als Hilfe zum ‚Lesen der Alpen‘ illustrieren und vertiefen.

Ein Kommentar

Eingeordnet unter abseits des Weges

Eine Antwort zu “Das Problem der Alpeneinteilung. Was sind eigentlich die Westalpen?

  1. MiWi

    Ihr Lieben + Unermüdlichen,
    der an Mitgliedern so starke ADAC, der ein Millionenheer von Autofahrern auf vielen „Pfaden“ über die Alpen leitet und der als Karten-Herausgeber sicherlich auch eine beachtliche Größe, bzw. Auflage hat, scheint sich wenig nach DAV/OEAV/AVS richten zu wollen:
    Die diesjährige „Jahresgabe“, eine Variante des alljährliche Mitgliedergeschenk, ist ein Kartensatz: „Alpenstraßen, Pässe, Panoramastrecken, Tunnel von Ost nach West“
    Selbstverständlich —>> gedrittelt in
    Westlicher Teil, Mittlerer Teil + Östlicher Teil !
    Euch vielen Dank für die großartige website + weiterhin viel Spass !

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