Wie es am Mont Cenis früher aussah

Die Jubiläen häufen sich:
Wie wir bereits berichteten, feiert das Susatal gerade die Erstbesteigung des Rocciamelone vor 650 Jahren (La Stampa titelte übrigens einige Tage nach uns am 30.7. „L’alpinismo? E‘ nato sul Rocciamelone“), die Eroberung vom Forte di Exilles vor 300 Jahren sowie die Gründung des Skiclubs Bardonecchia vor 100 Jahren. Und direkt hinter der Grenze, oben auf dem Mont-Cenis-Plateau, wird das 40-jährige Bestehen des Staudamms begangen, dem der gleichnamige See seine heutige Ausdehnung verdankt.

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315 Millionen Kubikmeter Wasser unterhalb der Gipfel von Pointe de Ronce, Signal du Grand Mont Cenis und Mont Malamot, Ergebnis der Fertigstellung der Barrage du Mont Cenis im Jahr 1968, bieten zwar einen schönen Anblick, haben jedoch so viel Historie verschluckt (deren Relikte man selbst bei gutem Timing nur noch selten zu Gesicht bekommt), dass wir dies Jubiläum als nicht erwähnenswert abgetan hätten. Wäre da nicht eine Ausstellung, die sich eben dem, was in den Wassermassen untergegangen ist, widmet.

‚Le Mont Cenis avant le barrage‘ heißt sie und ist noch bis zum 31. August 2008 im von der Gemeinde Lanslebourg und der Communità Montana Bassa Valle di Susa gemeinsam betriebenen ‚Maison Franco Italienne du Mont Cenis‘ und bis 27. September 2008 in Lanslebourg zu sehen.

Mont-Cenis avant le barrage

Auf der Hochebene am Col du Mont Cenis befand sich lediglich ein kleiner Natursee, an dem das Hospiz seit Jahrhunderten eine so große Bedeutung für Reisende hatte, dass Napoleon (wir überspringen hier salopp alle bedeutenden Ereignisse, die davor lagen, um niemanden zu langweilen!), der ansonsten die meisten Klöster schließen ließ, zur Aufrechterhaltung des Hospizes am Mont Cenis eine Ausnahmegenehmigung erteilte. Der See hatte seine Ausdehnung noch nicht verändert, als durch die Abtretung Savoyens an Frankreich 1860 der Col du Mont Cenis auf einmal zum strategisch bedeutsamen Grenzpass und damit zu einem Ort militärischer Aufrüstung wurde. Zwischen 1874 und 1887 errichtete das junge Königreich Italien fünf große Befestigungsanlagen um den kleinen See herum: die Forts Ronce, Variselle, Pattacreuse, Malamot und Cassa. Keine dieser Anlagen wurde angetastet, als 1921, ungefähr auf Höhe des Hospizes, die erste Staumauer errichtet wurde. Das änderte sich erst – das Plateau gehört seit 1947 zu Frankreich – als 1968 der Stromversorger EDF den neuen  Staudamm fertigstellen ließ, der dem See seine aktuellen Ausmaße verlieh: neben einigen anderen Gebäuden wurden Fort Cassa und das Hospiz geflutet.

Sabine Bade & Wolfram Mikuteit

P.S. Noch ein kleiner Hinweis für Puristen: Für die Männer, die ab 1962 für den Bau des Staudammes insgesamt 15 Mio. Kubikmeter Erde bewegten, wurde bei Gran Croce direkt unterhalb des heutigen Dammes eine Unterkunft errichtet: das heutige ‚Hotel Malamot‘.  hotel_malamot Von kleineren kosmetischen Veränderungen abgesehen dürfte sich das Gebäude fast noch im Originalzustand befinden – atmosphärisch kann das Hotel mit jedem Gebäude einer Plattenbausiedlung konkurrieren. Das Essen hingegen schmeckt ausgezeichnet.

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