Zweite Röhre für ältesten Straßentunnel der Alpen

Wenn der älteste heute noch befahrbare Alpentunnel endlich eine zweite Röhre erhält, ist das eine Nachricht wert. Und wenn es sich dabei noch dazu um ein Projekt handelt, in das auch die Belange der betroffenen Regionen eingearbeitet wurden, berichten wir darüber gleich noch lieber.

Nach jahrzehntelangem Hin- und Her ging alles auf einmal ganz schnell: dass einer kleinen, regionalen Lösung der Vorrang gegeben würde, stand bereits seit längerem fest, dann genehmigte auch die italienisch-französische Regierungskonferenz im Spätsommer des letzten Jahres den Bau der zweiten Röhre am Tenda-Tunnel. Und nun ist die Finanzierung unter Dach und Fach: basierend auf der tatsächlichen Nutzung des Tunnels übernimmt Italien 58,35 Prozent der anfallenden Kosten, die sich auf 168 Millionen Euro belaufen sollen, und Frankreich den Rest. Die Bauarbeiten sollen knapp fünf Jahre dauern und beginnen im Jahr 2012.

1882 wurde der 3182 m lange Tenda-Scheiteltunnel als Verbindung zwischen dem Vermenagna- und dem oberen Royatal (das damals noch zu Italien gehörte) nach einer Bauzeit von neun Jahren und neun Monaten fertiggestellt. Abseits von verkehrspolitischen Aspekten sei hier als kleine Randnotiz angemerkt, dass der Pass, von dem aus man an klaren Tagen neben dem Monviso auch Monte Rosa und Matterhorn erkennen kann, für Alpinisten damit seinen Reiz verlor: W.A.B. Coolidge, einer der besten Westalpenkenner seiner Zeit, vermerkte 1916 in der ‚English Historical Review‘ dazu rigoros, der Col de Tende habe seine besten Zeiten hinter sich. Schließlich könne ein Pass, der untertunnelt ist, einem Pass, den man noch richtig mühevoll überqueren muss, niemals das Wasser reichen!

Und ein weiteres Tunnelprojekt war es denn auch, das lange Zeit den dringend benötigten Um- und Ausbau des Tenda-Tunnels vereitelte. Im Zuge des in den Siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts entstandenen Planes eines ‚Seealpen-Basistunnel‘, der zunächst zwischen Terme di Valdieri und Le Boréon, dann zwischen Vinadio und Isola gebaut werden sollte, wurde auch immer wieder die Roya-Vermenagna-Trasse in die Diskussion eingebracht.
Mit der jetzt gefällten Entscheidung, die alte Röhre des Tenda-Tunnels den aktuellen Sicherheitserfordernissen anzupassen und 30 Meter daneben die neue zweite Röhre zu bauen – was im Gegensatz zu so manch anderem Tunnelprojekt allgemein als sinnvoll und notwendig angesehen wird – dürfte hoffentlich auch das jahrzehntelang stark umstrittene ‘Seealpen-Basistunnel-Projekt’ vom Tisch sein.

Sabine Bade

4 Kommentare

Eingeordnet unter abseits des Weges, Royatal, Seealpen

4 Antworten zu “Zweite Röhre für ältesten Straßentunnel der Alpen

  1. Hallo.
    „dürfte hoffentlich auch das jahrzehntelang stark umstrittene ‘Seealpen-Basistunnel-Projekt’ vom Tisch sein.“
    Warum sind alle projekte denn immer umstritten?
    Warum „hoffentlich“ vom Tisch?
    Kann es nicht auch Dinge geben, die sinnvoll und nicht umstritten sind?
    Was gibt es immer grundsätzlich „Dagegen“ zu sein?
    Ich verstehe das nicht!
    Gruß
    Wutz

  2. Hat dies auf AMBOLOS blog rebloggt und kommentierte:
    Ob insbesondere die teils engen Gassen der Dörfer im Süden den zu erwartenden Mehrverkehr ‚ertragen‘ können? Oder müssen deshalb Umfahrungsstrassen gebaut werden.

  3. Nein, der Plan zum Tunnelbau stand im Zusammenhang mit dem weiteren karossablem Ausbau der Straße zwischen Cuneo und Ventimiglia und stammt aus dem Jahr 1852.

    Damals ein absolut ziviles und innenpolitisches Unterfangen – da schließlich noch niemand an die Abtretung der Grafschaft Nizza an Frankreich (1860) dachte!!
    Da sich aber nach der Absetzung Napoleon III. (1870) die Beziehungen zwischen Italien und Frankreich deutlich verschlechterten, fallen der Beginn der Tunnelarbeiten und erste Überlegungen zum Bau von Befestigungsanlagen am Col de Tende terminlich zusammen. Und mit der Eröffnung des Tunels 1882, der nun ja dem „Feind“ den Einfall ins eigene Land um einiges erleichtert hätte, wurden diese Pläne forciert – und nachträglich auch miltärische Sperranlagen in den Tunnel integriert (ab 1884).

    Gruß,

    Wolfram

  4. Marcel

    Hallo,

    ich bekomm‘ das mit dem Tunnel und den Forts auf dem Berg nicht mehr ganz zusammen. Ich glaube erst kürzlich gelesen zu haben, weiß aber nicht mehr wo, dass der Tunnel miltärische Ursprünge haben soll. Hat da jemand genauere Infos?

    Tschüss,

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